Kaserne
1. Garde-Dragoner
Teil 1
Ein Rundgang durch Zeit und Ort
Vorgeschichte1
Seit langem begleite ich die Entwicklung meines alten Heimatbezirkes und heutigen Stadtteils Kreuzberg mit meiner Kamera. Der Abrisswut der 1970er Jahre und der beginnenden 1980er Jahre setzte ich mein Objektiv entgegen. Oft genug schüttelten dabei Passanten den Kopf, andere versuchten mir klar zu machen, dass man „DAS“ nicht fotografiert, da man den kostbaren Film für etwas anderes besseres wie z. B. Familienaufnahmen nutzen solle.
Vom Planufer, wo ich in einem der Altbauten unmittelbar gegenüber der Synagoge Fraenkelufer aufgewachsen bin, zog es mich oft den Kanal entlang. In Richtung Schlesisches Tor, wo die Welt auf Grund der Mauer damals zu Ende war oder entgegengesetzt in Richtung des Halleschen Tores, wo der Bau einer neuen Brücke über dem Kanal mit zu den frühesten Erinnerungen gehörte.
Die Jahre vergingen, die Proteste gegen die flächendeckende Abrisspolitik, die ganze Stadtteile beseitigte, wurden in der Bevölkerung lauter und auch massiver. Vom Balkon am Planufer konnte ich so manche „Schlacht“ beobachten, aber auch die diversen Abrissarbeiten u. a. am Lehrerwohnhaus der gegenüberliegenden heutigen Jens-Nydahl-Grundschule. Auch später, trotz meines Wegzugs aus beruflichen Gründen, war ich noch oft in Kreuzberg zu Gast. Inzwischen wieder Berliner, nahm ich umso mehr mit meiner Kamera Anteil am Baugeschehen und den Planungen der Nachwendezeit im ehem. Bezirk Mitte.
Der zunächst geplante weitgehende Abbruch des ehem. Stallgeländes hinter dem Finanzamt war dann des Öfteren Anlass für mich, meine Ausflüge nach Dienstschluss in meine alte Heimat Kreuzberg zu verlegen. Dieses scheinbar aus der Zeit gefallene ehem. Militärgelände übte eine magische Anziehungskraft aus, dem sich auch viele Betrachter meiner Fotos kaum entziehen konnten, selbst dann, wenn auch hier wieder die Frage nachdem „Warum“ im Vordergrund stand.
Alte Postkarte aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, Sammlung Röhrig. Das 1. Garde - Dragoner- Regiment trug zu diesem Zeitpunkt den Ehrentitel "Königin von Großbritannien und Irland". Es war durchaus üblich, das ausländische Staatsoberhäupter durch die Benennung eines Regiments geehrt wurden.
Die Bemühungen der Gewerbebetriebe auf dem Areal, der sich bald viele Anwohner und Initiativen anschlossen, verfolgte ich mit großem Wohlwollen und Interesse. Und auch bei den Präsentationen von Ergebnissen war ich oft mit meiner Kamera dabei.
Auch wenn der Erhalt der historischen Bausubstanz weitgehend sichergestellt ist, eines scheint anhand der bislang vorgestellten Pläne und Modelle gewiss – dass das Gelände der alten Dragonerkaserne nicht mehr so bleibt, nicht mehr so bleiben kann, wie es sich vor einiger Zeit noch präsentierte. Dem Wohnungsbau muss ebenso Raum geschaffen werden wie den bestehenden und künftigen Gewerbeansiedlungen.
Deswegen wird es weiterhin meine Aufgabe sein, ab und an jenen bald nicht mehr verwunschenen Stadtraum hinter dem Finanzamt mit meiner Kamera aufzusuchen. Ich verbleibe ich an dieser Stelle mit einer Bitte: Schenken Sie dem Mann mit der Kamera, wenn Sie ihn sehen, ein Lächeln. Vielleicht halten Sie eines Tages auch einmal ein Foto von ihm, das er von dem Gelände oder ihrem Betrieb dort gemacht hat, in Ihren Händen...
Gretchen2
Der erste Abschnitt meines Fotorundgangs betrifft den Bereich der ehemaligen Stallgebäudereihe 1 an der Obentrautstraße. Hier liegt die alte Tankstelle und die Autowaschhalle der Translag. In beiden Gebäuden ist heute ein LPG Biomarkt untergebracht. Auch die Miami-Tanzbar sowie der Club Gretchen haben hier ihre Räume. Die jeweiligen Fotostandorte können dem schematischen Grundriss entnommen werden. Die weißen Ziffern im blau markierten Feld geben dabei den direkten Standort sowie die Nummer des jeweiligen Fotos wieder.
2 | Ehem. Ausfahrt aus der für die Translag 1927 errichteten Automobil-Waschhalle. Die einstigen Tore sind durch eine durchgehende Glasfront ersetzt worden, das vordere Kassenhäuschen wurde mit farbigen Rollos verhangen. Auf dem Dach links eine moderne Kunstinstallation: Zu jeder vollen Stunde zeigt sich hier das Maskottchen des Biomarktes (siehe Bild 5).
4 | Der Anbau links der Ausfahrt aus der Waschhalle samt Kellertreppe bestand hingegen bereits seit deren Erbauung. Im Hintergrund der 1. Kopfbau der ersten Stallreihe, in dem sich heute die Fa. Surma zur Aufarbeitung von Polstermöbeln befindet. Das kleine Gebäude davor war einst die Pförtnerloge zum ehedem verschlossenen Dragoner-Areals.
5 | Die 1927 durch die Translag errichtete Tankstelle mit Autowaschhalle an der Obentrautstraße. Das große Betondach, unter dem die Fahrzeuge an den einst hier stehenden Tanksäulen mit Kraftstoff versorgt werden konnten, lehnt sich direkt an die dahinter befindliche Automobil - Waschhalle. Tankstelle und Waschhalle sind ein Beispiel für die nachmilitärische Nutzung des gesamten Areals.
8 | Insbesondere das ehemals niedrige Obergeschoss, in dem einst Futtermittel und Heu für die Pferde untergebracht waren, wurde in den 1950er Jahren durch die Translag zugunsten von Büros (Verwaltung der Translag) komplett im Sinne damaliger Repräsentation verändert. Links unter der Uhr die Durchfahrt in den ersten Innenhof. Das Vordach gehört zum "Club Gretchen".
8b | Seit den Verkaufsbestrebungen des Bundes, der für ein Großteil der Flächen des einstigen Kasernengeländes zuständig ist, ist der Club Gretchen zu einem maßgeblichen Ort des mittlerweile breiten Protestes, auch des Landes Berlin als zweiten Anteilseigner, gegen den rein profitorientierten Verkauf des Dragoner - Areals geworden.
8d | Frau Pamela Schoßberg hinter der Bar des Club Gretchen. Gern stellt sie sich den Fragen interessierter Anwohner und Berliner.
Beschlagschmiede3
Der zweite Abschnitt meines Fotorundgangs betrifft die Hofeinfahrt am Kopfbau 8 zum hinteren Teil des Dragoner - Areals. In diesem Teil des Geländes findet sich die ehem. Beschlagschmiede und das Gebäude für kranke Pferde. Eingerahmt werden die alten Baulichkeiten von aus den 1920er Jahren stammenden Garagen.
15 | Das in den 1950er Jahren überformte Gebäude der Stallgebäudereihe 5b. Links der Kopfbau 8. Der Eckbau (eigentlich ein Mittelbau) rechts enthielt ursprünglich eine Tordurchfahrt, die es in der Mitte jeder Stallgebäudereihe gab um lange Wege zu vermeiden (siehe auch Bild 8). An der weißen Fläche schließt sich der Rest der Stallgebäudereihe (siehe Bild 16) an.
18 | Links die Stirnseite der ehem. Beschlagschmiede. Rechts die lange Reihe von Garagen, die von der Einfahrt Obentrautstraße entlang der Grundstücksgrenze und den Brandmauern der umgebenden Mietshäusern verläuft. Hinter der alten Schmiede knickt die Garagenreihe nach links ab, da sich hier die Rückgebäude und Höfe der Großbeerenstraße befinden.
21 | Rechts die Anbauten an der alten Schmiede. Links die Garagenfront parallel zu den Rückgebäuden und Höfen an der Großbeerenstraße. Im Hintergrund die Rückgebäude der Obentrautstraße. Über dem linken Fahrzeug und dem Glasdach der Garagenzeile ist die Rückwand des Werkstattgebäudes von Bild 29 zu sehen.
27 | Längsfront des ehem. Gebäudes für kranke Pferde, das nun bereits von Absperrgittern umgeben ist. Die Bogenfenster im Erdgeschoss sowie die Fenster des ehem. Futterbodens im Obergeschoss wurden teilweise ersetzt. Ein verrostetes Schild kurz unter der Traufkante weißt auf eine hier längst nicht mehr bestehende Tischlerei hin.
28 | Blick auf die Alte Reithalle. Hier blieben nur die Rundbogenfenster im Obergeschoss erhalten. An die Alte Reithalle schließt sich im rechten Winkel der niedrige ehem. Abkühlstall an, in dem die Pferde nach den Reitübungen noch "Abdampfen" konnten. Hinter der Birke der Kopfbau 6 der Stallgebäudereihe 5a.