Spedition Albert Mann
Teil 2. Aufgabe der Spedition, Übergang zur Büroimmobilien - Vermittlung
SchwierigeZeiten7
7 | Die Zeiten werden schwieriger
Bis 1964 erfolgte die Abfüllung von Wein durch die Erzeuger überwiegend in großen, rund 600 Liter fassenden hölzernen Fässern, den sog. "Halbstücken". Diese wogen rund eine Tonne, was hinsichtlich des Transportes und des Umgangs beim Be- und Entladen spezielle Kenntnisse und Gerätschaften voraussetzte. Die Fa. Mann, seit langem auf den Transport von Wein und Spirituosen spezialisiert, besaß im Umgang mit dieser schwierigen Fracht ein Alleinstellungsmerkmal, was bislang zu guten wirtschaftlichen Ergebnissen geführt hat.
Doch ab Mitte der 1960er Jahre begannen die Weingüter, ihre Erzeugnisse selbst in Flaschen abzufüllen. Es war dies für die Produzenten wirtschaftlicher, da die in Kartons und Kisten abzupackenden Flaschen weitaus einfacher transportiert werden konnten, als die unhandlichen, nur von Spezialisten zu handhabenden Weinfässer. Die Verwendung standardisierter Arbeitsgeräte und Transporthilfsmittel wie der Europalette taten ein Übriges zur Modernisierung des Weinspeditionswesens bei. Für die Firma Mann brach hiermit ein großer Teil des bislang gewinnträchtigen Geschäftes weg, sahen sich doch nun auch andere Speditionen in die Lage versetzt, Wein und Spirituosentransporte durchzuführen.
In dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit trat Werner Kasten in die Firma ein. Dieser hatte die Tochter der Familie Mann, Hannelore Mann, während des Betriebswirtschaftsstudiums zum Diplomkaufmann kennengelernt und 1965 geheiratet.
Immobilien8
8 | Vom Speditionsgeschäft zum Immobilienmanagement
Nach dem Tod von Walter Mann 1974 übernahmen Hannelore Kasten - Mann und Werner Kasten die Leitung der Firma. Längst bestand das Hauptgeschäft der Fa. Albert Mann nur noch im Transport der Kartonware der Weingüter und der Belieferung von Hotels, Restaurants und Privatkunden. Doch im Laufe der Jahre wurde der Straßenverkehr in Berlin immer dichter. Schaffte ein Fahrer zunächst die Belieferung von 40 Kunden am Tag, so sank diese Zahl schließlich auf 20. Für die Fa. Albert Mann wurde es zusehends schwieriger, profitabel zu bleiben. Längst war die Vermietung von Lagerflächen und Betriebsräumen wirtschaftlicher geworden, als der Transport von Wein und Spirituosen.
1983 verkaufte Werner Kasten zunächst die beiden Fernlastzüge, ehe er 1987 schließlich auch die Spedition Albert Mann an die TransSylvana Transport- und Lager GmbH veräußerte. Die Fa. TransSylvana hatte schon zuvor in den Gewölbekellern Wein eingelagert und blieb auch nach dem Kauf der Spedition Albert Mann Mieter.
Nach dem Ende des Speditionsbetriebs konzentrierten sich die geschäftlichen Aktivitäten der Familie Kasten auf die Vermietung des riesigen Areals der ehem. Bockbrauerei an der Fidicinstraße. Doch insbesondere am Beginn der 2000er Jahre begann sich die Mieterstruktur langsam zu ändern. Viele der bisherigen handwerklichen Produktions- und Dienstleistungsbetriebe gaben auf oder zogen um.
Der hierdurch entstandene Leerstand stellte für die Familie Kasten eine besondere Herausforderung dar. Doch für moderne Unternehmensformen wie etwa der gerade auch in Kreuzberg stark vertretenen Kreativszene und Startups waren die nach dem Krieg provisorisch wiederhergestellten Gebäude der Bockbrauerei im vorliegenden Zustand eher ungeeignet.
Im Jahre 2002 wird unter der Dachmarke "Kasten - Mann" das Berliner Immobilienunternehmen "Kasten - Mann Real Estate Advisors" durch Dirk C. Kasten, Sohn von Hannelore Kasten-Mann und Werner Kasten, gegründet. Als gelernter Immobilienkaufmann und studierter Immobilienökonom ist Dirk C. Kasten bestens vorbereitet auf künftige Anforderungen zu reagieren. So unterstütz er private Unternehmen, öffentliche Institutionen und nicht NGOs bei der Suche nach Büroflächen in Berlin. Im Jahr 2003 übernahm Dirk C. Kasten schließlich auch den Familienbetrieb und damit das Gelände der alten Bockbrauerei, das er weiterentwickelt.
Nach einer Neugestaltung des Innenhofes wurde für die historischen Bauten der Bockbrauerei ein durch das Kreuzberger Architekturbüro "Kolb Ripke Architekten (KRP)" entwickeltes Konzept umgesetzt. Die durch Eigeninitiative der verschiedenen Mieter entstandene, wild verbaute und verwinkelte Struktur der Gebäude wich nun einem einheitlichem Konzept, um aktuellen und künftigen Anforderungen des Immobilienmarktes besser gerecht zu werden. Auch die Klinkerfassaden der Gebäude wurden dabei aufwendig saniert.
Das Schwankhaus wurde dabei vollständig entkernt, über hundert Tonnen Bauschutt abgefahren. Das wenige Jahre nach der Übernahme des Gebäudes durch die Fa. Mann errichtete Notdach aus den 1950er Jahren stellte dabei nicht nur ob seiner Größe von 1200 Quadratmetern eine besondere Herausforderung dar.
Angesichts der damaligen Materialknappheit war das Dach in den 1950er Jahren komplett aus Holz errichtet worden, die Statik bis an die Belastungsgrenze ausgereizt. Der Bau einer Photovoltaikanlage schied daher aus.
Der Wegfall der Photovoltaikanlage eröffnete aber den Weg für den Einbau zahlreicher Oberlichter, durch die viel Tageslicht ins Obergeschoss gelangt und der Dachkonstruktion einen zusätzlich Reiz verleiht. Im Jahr 2010 wurde dann auch noch die alte Ölfeuerungsanlage durch ein moderne und umweltfreundliche Pellet- und Hackgutheizung ersetzt. Die alten historischen Gebäude erfüllten, so angepasst, nunmehr alle Erwartungen der Mieter wie auch der Familie Kasten.
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9 | Epilog. Gegenwart und Zukunft
Die einst aus der Fa. Kasten-Mann hervorgegangene "Kasten - Mann Real Estate Advisors" ist heute nach wie vor ein erfolgreiches Berliner Unternehmen zur Vermittlung von Büroflächen.
Das Areal der alten Bockbrauerei gehört inzwischen zum größten Teil der "Bauwert AG", die auf dem Gelände unter Abbruch einiger Bestandsbauten Wohnungen errichtet. Die Fertigstellung der Wohnanlage ist für Ende 2026 geplant. Das an eine Genossenschaft, die langfristig zu günstigen Konditionen im Sinner der sog- "Kreuzberger Mischung" an Künstler und Sozialprojekte verrmieten wird, verkaufte Schankhaus hingegen steht heute wie auch die alten Lagerkeller unter Denkmalschutz.
Einen kleinen Teil des ehemaligen Brauerei - Geländes behielt die Familie Kasten - Mann jedoch in Erinnerung an die Familiengeschichte für eigene Zwecke zurück. Hier entsteht im Rahmen des Gesamtkonzeptes ein nach eigenen Vorstellungen an der Schwiebusser Straße 16 errichtetes Wohn - und Bürogebäude. Denn die "Kasten-Mann Real Estate Advisors" zieht es nach über 10 Jahren wieder zurück an ihrem Ursprungsort - nach Kreuzberg.
Ebenfalls, wie auch schon das Schwankhaus, steht die aus dem Zweiten Weltkrieg stammende, von der Organisation Todt unter Nutzung von Zwangsarbeitern errichtete große Bunkeranlage ("Lore 2"), in welcher im Auftrag von Telefunken Zwangsarbeiter zwischen 1944 bis April 1945 Elektronenröhren für Radargeräte herstellen mussten.
Hinsichtlich der Organisation Todt und dem Leben höherrangiger Mitarbeiter möchte ich im Übrigen auch auf meinen Bericht über den Lichtenrader Lortzingclub hinweisen, welcher in einem ehemaligen Wohnhaus des Ingenieurs Bartel der Organisation Todt untergebracht ist und daher nicht nur über eine luxuriöse Ausstattung, sondern auch über einen besonders sicheren Luftschutzkeller verfügt.
Inzwischen ist auch das Gelände des einstigen Speditionsschuppen an der Yorckstraße nach der Kündigung der Pachtverträge durch die Fa. Albert Mann und der Rückgabe in den 1980er Jahren an die damalige Reichsbahn längst mit Wohnungen überbaut. Die Geschichte dieses, zwischen dem S- Bahnhof, der Yorckstraße und der Bautzener Straße gelegenen Areals, zu dem auch das ehem. Gaststättengebäude der früheren Kultkneipe "Zum Umsteiger" gehört, ist nachzulesen unter dem Titel "Der Umsteiger - Geschichte eines Gaststättengebäudes".
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10 | Ein Geschenk zum 67. Geburtstag
Ein besonderes Geschenk erhielt Walter Mann zu seinem 67. Geburtstag am 7. November 1973. Als Erinnerung an den Arbeitsalltag auf dem Gelände an der Yorckstraße waren zahlreiche Schwarz - Weiß Aufnahmen angefertigt worden.
Auf rotem Strukturkarton geklebt, fanden diese Aufnahmen Eingang in ein großformatiges Ringalbum. Eine gute Idee - von der Jahrzehnte später auch der Schreiber dieser Zeilen profitieren sollte...