Restaurant Wilhelm Freiberg
Mariendorfer Damm
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Bild und Text: Lutz Röhrig
Aufmerksamen Spaziergängern und Autofahrern werden sicher die beiden eingeschossigen Häuser aufgefallen sein, die sich links und rechts des Mariendorfer Damms kurz vor dem Volkspark gegenüber stehen.
Während das eine durch seine rötliche Ziegelsteinoptik hervorsticht und derzeit einen Kindergarten beherbergt, fällt das andere eher durch einen aus neuerer Zeit stammenden Vorbau eines inzwischen nicht mehr bestehenden Haushalts- und Eisenwarengeschäftes auf.
Beide so unterschiedlich in Baustil und Größe wirkende Gebäude haben scheinbar nichts miteinander zu tun, doch belehrt uns die Geschichte eines Besseren…
| Die Aufnahme entstand in den 1950er / 1960er Jahren und zeigt das erste Restaurant-Gebäude der Familie Freiberg als Gaststätte "Bürger-Klause". Rechts daneben auf dem freien Grundstück die ersten Anfänge des heute noch an anderer Stelle bestehenden "Autohaus Wunderlich". Das Gebäude am rechten Bildrand besteht leider nicht mehr, hier befindet sich jetzt ein Neubau mit einer Filiale der Sparkasse.
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| Zunächst befand sich hier die erste Gastwirtschaft der Familie Freiberg. Nach dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite von dieser eine neue, größere Gaststätte errichtet wurde, entschloss sich die Familie, es an Adolf Dahlmann zu verpachten. 1928 ist ein G. Freiberg noch als Eigentümer geführt. Rechts noch das "Autohaus Wunderlich", wie es bis zuletzt am Mariendorfer Damm bestand.
Georg Freiberg wird bereits von 1530 bis 1549 als Bürgermeister von Berlin erwähnt. 1542 hatte er gemeinsam mit Hans Tempelhoff (junior) ein Waldstück hinter "Richardsdorf" (Rixdorf) erworben und geteilt. Seit dem 17. Jahrhundert stellt die Familie Freiberg den Schulzen von Mariendorf (siehe auch Gutshof Freiberg Alt Mariendorf) Sie betrieb neben der Landwirtschaft auch eine an der Straße nach Berlin, der Chausseestraße (heute Mariendorfer Damm) gelegene Gastwirtschaft, die von den durchziehenden Reisenden lebte.
In heutiger Zeit wurde das Gebäude über viele Jahre durch das inzwischen nicht mehr bestehende Eisen- und Haushaltswarengeschäft "Arncken" genutzt.
| Berliner Adressbuch von 1906. Freiberg wird nicht für die Adresse "Chausseestraße 53" (dem heutigen Kindergarten) als Gasthofbesitzer benannt, sondern auch für das Gebäude "Chausseestraße 35 (zeitweilig 34)", in welchem "A. Dahlmann" als Gastwirt tätig ist.
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Bald reichten die vorhandenen Lagermöglichkeiten der Gastwirtschaft nicht mehr aus, so dass Wilhelm Freiberg 1868 auf der anderen Straßenseite - dem ersten Gasthof gegenüber - einen gemauerten Eiskeller auf altem Gemeindeland errichtete.
Als 1887 die Pferdestraßenbahn bis nach Mariendorf verlängert wurde, stieg damit zugleich auch die Zahl der Ausflügler stark an. Anlass für Wilhelm Freiberg, in den Jahren 1888-89 unmittelbar neben dem Eiskeller ein zweistöckiges Restaurationsgebäude aus festem Backsteinmauerwerk durch den Maurermeister G. Rehfeld planen und erbauen zu lassen.
| Stirnseite der zweiten Gastwirtschaft der Familie Freiberg. Die rechts wahrzunehmende Asymmetrie der Fassade besteht seit der Erweiterung des Gebäudes nach dem Ersten Weltkrieg für ein Kinderheim.
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| Rechts der ursprüngliche, zweistöckige Bauteil der zweiten Gastwirtschaft der Familie Freiberg. Mit der Zunahme des Ausflugsverkehrs von und nach Berlin fügte die Familie den links zu sehenden Saalbau mit seinen hohen Fenstern an das Gebäude an.
1901 entschloss sich die Familie, die prosperierende Restauration um einen eingeschossigen Saaltrakt zu erweitern, der 1902 durch das Baugeschäft Karl A. Schmidt fertiggestellt wurde. Ein weiterer Umbau folgte 1908, als dem Gebäude u. a. eine heute nicht mehr erhaltene Kegelbahn angefügt wurde. Die Gaststätte verfügte auf ihrem großen Außengelände auch über einige Teiche, auf denen Boote ausgeliehen werden konnten.
1907 schlug der Mariendorfer Gemeindevorsteher Wilhelm Hugo Westphal vor, einen Gemeindepark anzulegen. Der Grunderwerb hierfür begann 1908. Nach Aufnahme eines Darlehens erwarb die Gemeinde 1909 auch die Teiche Freibergs. Doch auf Grund des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen konnte der "Volkspark Mariendorf" erst 1931 fertiggestellt werden.
Die Teiche behielten beim Einbezug in den Gemeindepark auf Grund von Bürgerprotesten im Wesentlichen ihre bisherige natürliche Form. Das nach einem späteren Besitzer des Freibergischen Restaurants als "Blümelteich" benannte Wasserbecken erhielt erst bei einer erneuten Umgestaltung zum Modellsegelbootsteich im Jahr 1938 seine heutige rechteckige Form. Nach dem Krieg wurden 1949 u. a. die hohe Freitreppe sowie die Mauer aus Feldsteinen am östlichen Ufer errichtet.
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Die ursprüngliche Gaststätte der Freibergs an der Chausseestraße 56 auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieb weiter im Besitz der Familie und wurde vom Pächter Adolf Dahlmann betrieben..
Das alte Backsteinhaus hingegen wechselte im Laufe der Zeit mehrfach den Besitzer. So erwarb auch der Gastwirt Karl Blümel das Gasthaus. Ein Umstand, dem der benachbarte „Blümelteich“ seinen Namen verdankt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die beliebte Gaststätte am heutigen Gemeindepark in ein Kinderheim umgewandelt und erhielt in den 1930er Jahren eine Erweiterung. Diese Erweiterung erstreckt sich bis über den auf der Rückseite des Gebäudes noch vorhandenen alten Eiskeller, der jedoch bis heute erhalten blieb.
Das als Gaststätte weiterhin durch Adolf Dahlmann betriebene Gebäude, welches dem alten Backsteinbau von 1888 noch immer gegenüber lag, wurde schließlich wieder von der Familie Freiberg direkt betrieben. Das Haus erfuhr in neuerer Zeit eine Nutzung als Fachgeschäft "Arncken" für Eisen- und Haushaltswaren. Nach dem Auszug der Fa. Arncken werden die Geschäftsräume derzeit von mehreren Dienstleistern genutzt. Der alte Schriftzug "Restaurant Wilhelm Freiberg" prangt jedoch noch immer an der Fassade. Beide Gebäude repräsentieren somit ein wichtiges und interessantes Kapitel der Geschichte Mariendorfs.
| Das der Familie Freiberg gehörende und von Adolf Dahlmann betriebene Restaurant. In neuerer Zeit war hier über viele Jahre das Haushalts- und Eisenwarengeschäft "Arncken" ansässig.
| Das zu diesem Zeitpunkt von Christian Neubecker betriebene Restaurant Freiberg. Während das obere Bild der Postkarte das Restaurantsgebäude mit dem späteren Festsaal - Anbau zeigt, ist rechts das Innere dieses Festsaals zu sehen. Im unteren Bild ist die Seite zum heutige Volkspark mit den Blümelschen Teichen dargestellt, in denen hier auszuleihende Ruderboote verkehren.
| Blick vom Blümelschen Teich zur damaligen Chausseestraße (heute Mariendorfer Damm). Auf dem Teich eines der bei Freiberg auszuleihenden Ruderboote. Während das Eckhaus an der Richterstraße bis heute erhalten blieb, wurde das kleine Bauernhäuschen rechts daneben in den 1930er Jahren durch einen Neubau ersetzt. Erst in jüngster Zeit wurde hingegen das zweite, halb durch die Bäume verdeckte Bauerngehöft Mariendorfer Damm 106 abgerissen.
| Der zur Gaststätte gehörige Blümel - Teich (benannt nach dem ehem. Inhaber der Gaststätte). An den beiden Buden am Teich konnten Ruderboote ausgeliehen werden. Rechts schloss sich dann der große Garten des Restaurants an. Auch bemerkenswert: Erst in großer Ferne sind die Häuser Berlins auszumachen, davor weite Wiesen und Felder.
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| Bezirksstadträtin Christiane Heiß während ihrer Eröffnungsrede über die geleisteten Maßnahmen zur Restaurierung des Blümelteiches kurz vor der Durchschneidung der "roten Kordel".
Im Januar 2019 begannen umfangreiche Arbeiten zur Restaurierung des Blümelteiches. Bäume mussten gefällt werden, damit die längst baufällige Uferbefestigung instand gesetzt werden konnte. Am Boden des Teiches hatte sich zudem im Laufe der Jahrzehnte eine ca. 70 cm starke Schicht aus Faulschlamm abgesetzt. Um sie zu beseitigen, war ein Abfischen des Teiches notwendig, um das Wasser ablassen und den Schlamm mit Baggern abtragen zu können. Insgesamt waren 5000 Tonnen Schlamm nach dem Trocknen abzutransportieren. Zudem wurde in der Nähe ein Brunnen gebohrt, aus dem der Teich nach dem Abschluss der Arbeiten wieder befüllt und bei Bedarf nachgefüllt werden kann.
Am 19. Juni 2020 um 10 Uhr fand die Übergabe des für insgesamt 2,5 Millionen Euro denkmalgerecht sanierten Teiches durch Christiane Heiß, Bezirksstadträtin für Bürgerdienste, Ordnungsamt und Straßen- und Grünflächenamt, an die Öffentlichkeit statt.
| Es ist geschafft, in jeder Hinsicht: Bezirksstadträtin Christiane Heiß mit der durchtrennten "Roten Kordel".
| Auch die "Schiffsmodellbaufreunde Berlin - Mariendorf" waren zu der kleinen Eröffnungsfeier geladen. Denn schließlich sind sie von Beginn an die angestammten Nutzer des 1938 als "Modellsegelbootsteich" umgestalteten Blümelteiches.
| Der Blümelteich am Tage der offiziellen Übergabe nach Abschluss der Baumaßnahmen. Blick in Richtung Mariendorfer Damm.
| Der Blümelteich am Tage der offiziellen Übergabe. Blick in Richtung der Freitreppenanlage am östlichen Ufer. Im vorderen Teil die wiederhergestellte Trennung zum naturbelassenen Teil des Teiches am Mariendorfer Damm.