BEZIRK TEMPELHOF-SCHÖNEBERG VON BERLIN
am Mariendorfer Damm
Abriss eines Gehöfts
am Mariendorfer Damm 106
Bild und Text: Lutz Röhrig
Mariendorf, hervorgegangen aus einer Ansiedlung der Tempelritter, war einst überwiegend dörflich geprägt. Davon zeugen noch einige Bauerngehöfte aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die, unschwer erkennbar an ihrer niedrigen Bauhöhe, bis heute die Zeiten überstanden.
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Doch um einige von ihnen ist es schlecht bestellt. Zu groß ist das Interesse, auf den weiträumigen Hofarealen eine geschlossene Wohnbebauung entstehen zu lassen, die nicht nur neuesten Komfort bietet, sondern die Grundstücke auch in voller Breite und Höhe ausnutzt.
| Während das alte Bauernhaus Mariendorfer Damm 106 - 108 noch über einen Vorgarten verfügt, nutzt das in den 1920er Jahren errichtete Nachbarwohnhaus das Grundstück in voller Breite und Höhe aus. Das Bauernhaus hat bereits einen Teil seines Daches eingebüßt - und auch das Stallgebäude auf dem hinteren Teil des Grundstücks ist bereits weitgehend verschwunden.
| Das Bauernhaus von nahem betrachtet. Kunstvoll sind in der Vergitterung der Eingangstür rechts die Buchstaben "C J C" eingearbeitet. Auf welchen Besitzer oder Betrieb sie wohl hinwiesen?
Ein solcher Fall ist auch das alte Bauerngehöft am Mariendorfer Damm 106 - 108. Bislang unterschiedlichsten Nutzern (u. a. ein Gebrauchtwagenhändler sowie ein Kinderwagengeschäft) als preiswerte Gewerbefläche dienend, wurde es Ende Mai 2016 abgebrochen.
Das Grundstück war seit längerem im Besitz des Deutschen Roten Kreuzes, die hier ab dem Frühjahr 2017 25 Mietwohnungen für Senioren und 2 Wohngemeinschaften für demenzerkrankte Menschen errichten. Planung und Ausführung oblagen dabei dem Architekturbüro Anne Lampen Architekten. Die Fertigstellung der Wohnanlage ist für 2018 vorgesehen.
Mit dem Abriss der Gebäude des Bauerngehöfts Mariendorfer Damm 106 - 108 verschwand ein weiterer Sachzeuge der dörflichen Vergangenheit am Mariendorfer Damm. Somit bleiben im Grunde nur noch die beiden Gebäude des einstigen Restaurants Wilhelm Freiberg übrig, die an jene Epoche erinnern, als es die Berliner in Massen hinaus in die "Sommerfrische" nach Mariendorf zog...
Moderne Wohnungen für Senioren sind, vor allem angesichts der demographischen Entwicklung Berlins, mehr als wichtig. Aber ist es nicht so, das sich insbesondere die Senioren noch gern an jene Zeit erinnern, als man Mariendorf mit Recht ein "Dorf" nennen konnte?
| Ein Bild vor dem Beginn der Abbrucharbeiten. Im Hintergrund ist das große doppelstöckige Wirtschafts- und Stallgebäude zu erkennen. Rechts befindet sich eine Garage mit Werkstatt, deren hintere Gebäude vermutlich einst zum Hof gehörten. Aufnahme mit freundlicher Genehmigung Frau Conny Günther.
| Bagger vs. Bauernhaus. Die dörfliche Vergangenheit Mariendorfs im Bereich des Mariendorfer Damms lässt sich nur noch an wenigen Zeugnissen festmachen. Es ist somit zu bedauern, das Ende 2016 auch dieses Bauerngehöft verschwand.
Was erinnert eigentlich unsere Kinder, die heute noch Geschichte als "uninteressant und langweilig" betrachten, später einmal, wenn diese Haltung einem aufgeschlossenen Interesse gewichen ist, an die bäuerliche Vergangenheit Mariendorfs? Nur noch sehr wenig.
Und auch dieses Wenige wird, so ist zu befürchten, kaum Bestand haben. So ist, nur wenige hundert Meter weiter in der Friedenstraße, vor einigen Jahren ein weiteres Bauerngehöft abgebrochen worden, das man jahrzehntelang dem Verfall überlassen hatte. Weitere Beispiele dieser Art werden wohl folgen.
Aufschluss über das Vergangene geben dann oftmals nur noch alte Fotos oder Postkarten. Doch kaum einer kann sie mehr zuordnen, zu stark sind die Veränderungen, welche Mariendorf in all den Jahrzehnten hat erfahren müssen. Den Teich, welcher dem Bauerngehöft gegenüber lag, gibt es immer noch. Doch niemand kann hier mehr ein Ruderboot ausleihen, um vielleicht mit seiner Angebeteten eine Kahnpartie zu machen.
Denn längst gibt es auch dass Restaurant der Freibergs, das heute einem Kindergarten als Domizil dient, nicht mehr, wo man die Boote einst gegen einen kleinen Obolus bekam. Übrig blieb allein das Eckhaus an der Richterstraße, denn auch jenes Bauernhaus, welches sich direkt dem Eckhaus anschloss, ist bereits in den 1930er Jahren durch ein Mietshaus ersetzt worden. Nun also ist auch das letzte Gehöft, welches auf der nebenstehenden Postkarte gerade noch hinter den Bäumen erkennbar ist, einem Neubau gewichen. Doch so ist der Weg der Dinge. Neue Anforderungen erfordern neue Entscheidungen, mögen sie auch mitunter hart erscheinen...
| Blick vom Blümelschen Teich zur damaligen Chausseestraße (heute Mariendorfer Damm). Auf dem Teich eines der bei Freiberg auszuleihenden Ruderboote. Während das Eckhaus an der Richterstraße bis heute erhalten blieb, wurde das kleine Bauernhäuschen rechts daneben in den 1930er Jahren durch einen Neubau ersetzt. Das nun abgerissene Bauerngehöft ist gerade noch hinter den Bäumen erkennbar.
| 2017 war das Seniorenheim des Roten Kreuzes bereits im Rohbau fertiggestellt.