Eine europäische Leitmesse im Köpenicker FEZ
Die Superbooth
Im Köpenicker FEZ
▮ Berlin - Zentrum der Elektronischen Musik
Inhalt und Kapitelübersicht
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Einleitung1
1 | Opening. Die Superbooth
Bild und Text: Lutz Röhrig
Fragt man nach der heutigen Bedeutung der elektronischen Musik für Berlin, so kommt man an der „Superbooth“, der größten europäischen Messe für elektronische Musikinstrumente, nicht vorbei. Als „Booth“ wird dabei unter Musikern jene schallisolierte Kabine in den Tonstudios bezeichnet, vor deren großen Glasfront für gewöhnlich ein riesiges Mischpult die Steuerung des Aufnahmeprozesses ermöglicht.
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Und an einer gigantischen „Superbooth“ fühlt man sich denn auch beim Betreten des riesigen Ausstellungsgeländes in Köpenick mit seiner schier unübersehbaren Zahl an Synthesizern, Mischpulten und sonstigen elektronischen Gerätschaften durchaus erinnert. Gegründet und seither ausgerichtet wird die „Superbooth“ von Andreas Schneider, dem Inhaber von „SchneidersLaden“ am Kottbusser Tor und den alten Räumen von Musik-Bading in Neukölln. Doch während sich die "Superbooth" heute als selbstständige Messe für alle elektronikbegeisterten Musiker präsentiert, war sie in den Anfangsjahren lediglich ein Bestandteil der Frankfurter Musikmesse, der damals größten Messe für meist konventionelle Musikinstrumente.
| Blick ins Foyer des FEZ. Unten links der Stand für Eintrittskarten und Fanartikel. Im "Zelt" geradezu präsentiert sich die 1963 begründete Japanische Firma "Korg". Nach rechts verläuft die große geschwungene Freitreppe zum 1. OG. Hier oben befindet sich u. a. auch das "Moratorium".
| Blick ins Foyer des FEZ. Je nach Tageszeit und Helligkeit ergeben sich unterschiedliche Lichtstimmungen. Durch die großen Fenster fällt der Blick auf die Seebühne.
Insofern war die Teilnahme von Andreas Schneider mit einem eigenen Messestand - speziell für elektronische Musikinstrumente - dort eher ein Sonderfall. Dies zumal er vielen kleineren Herstellern von modularen Synthesizern und Zubehör, die oft großartige Geräte entwickeln, jedoch nur über eine eher geringe Finanzkraft verfügten, eine geeignete Plattform durch Abvermieten von Tischen auf seiner Fläche bot. Unter dem Namen "Superbooth" entstand so quasi eine Messe in der Messe.
Mit der Zeit bildete sich so unter den Herstellern ein eng verflochtenes Netzwerk. Wer den jeweiligen Interessenten mit seinen eigenen Geräten nicht weiterhelfen konnte, verwies diesen an denjenigen Tisch, von dem er wusste, dass dort ein Produzent genau jene Instrumente anbot, die dem Bedürfnis des Messebesuchers entsprachen.
Mit der Zeit entwickelte die „Superbooth“ ein hochdynamisches Eigenleben, das die Fans von elektronischen Musikinstrumenten geradezu magisch anzog. Da zudem das Konzept der Frankfurter Musikmesse immer weniger dem Interesse von Ausstellern und Publikum entsprach, wird die „Superbooth“ schließlich 2016 von Andreas Schneider als eigenständige Messe in Berlin veranstaltet – eine Maßnahme, die sich von Anfang an als voller Erfolg herausstellen sollte.
Nachdem die erste Berliner Messe noch im einstigen DDR- Funkhaus in der Nalepastraße in Köpenick stattfand, verlagerte Andreas Schneider 2017 die zweite Berliner Superbooth erstmals ins im gleichen Bezirk gelegene FEZ. Das Hauptgebäude des ehemaligen „Pionierpalastes“ mit seinen drei Etagen und dem weiträumigen Außengelände nutzen 2023 mittlerweile rund 250 kleine und große Hersteller von Synthesizern und Zubehör, um sich zu präsentieren. Kern des Messekonzeptes ist der zwanglose Austausch aller Beteiligten untereinander. Jeder kann sich hier nach Herzenslust die neuesten Modelle der Hersteller nicht nur zeigen lassen, sondern oft auch selbst ausprobieren.
Zwischen vielen Ausstellern und Musikern, aber auch zwischen den Musikern und Ausstellern untereinander bestehen seit Jahren, oft seit den Anfängen der Superbooth in Frankfurt, enge Beziehungen. Man kennt sich und die Frage „Na wie geht’s“ ist hier nicht bloß eine höfliche Floskel. Der Umgang zwischen allen ist locker und gelöst – ein Feeling, das durch die großen Freiflächen des FEZ – von der Seebühne bis hin zur Zeltstadt- und den hier stattfindenden Konzerten und Events noch zusätzlich verstärkt wird.
Andreas Schneider zitierte angesichts der vielen miteinander im Gespräch befindlichen Messebesuchern bei einem Rundgang mit mir gern den Satz: „So muss Messe sein“. Recht hat er.
| Natürlich wird auch auf der Superbooth für das Wohl der Besucher gesorgt. Insbesondere leichte, moderne, asiatische Kost wird den Gästen in der "Zeltstadt" geboten.
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| An zahlreichen Orten gab es auf der Superbooth Konzerte, wie hier auf der "Strandbühne".
2 | Das Köpenicker Messeareal
Schon auf dem Weg durch die Wuhlheide zum Hauptgebäude des FEZ wird deutlich, was der große Vorteil gerade dieses Veranstaltungsortes ist: seine Größe und Abgeschiedenheit inmitten einer riesigen Parkanlage. Ideal für Großveranstaltungen aller Art. Neben dem dreistöckigen FEZ – Gebäude stehen der Superbooth auch das große Außenglände des FEZ mit seinem Wasserbecken und der „Seebühne“, die anschließende „Zeltstadt“ und das „Bungalowdorf“ mit seinen Blockhäusern zur Verfügung.
Jeder Aussteller kann so das für ihn passende Ambiente finden – vom klassischen Messeverkaufsstand bis hin zum zugegeben für eine Messe unorthodoxen Zelt oder Bungalow. Das „unorthodoxe“ ist es jedoch, welches hier den besonderen Charme ausmacht. Kein Laufsteg für Anzugträger oder Jagdrevier für Katalogsammler, sondern ein offenes Konzept, bei dem sich jeder mit jedem austauschen und fachsimpeln kann und die neuesten Errungenschaften der jeweiligen Hersteller präsentiert werden – gern auch zum selbst einmal ausprobieren.
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3 | Das "Modular Synthesizer Ensemble"
Es ist immer spannend, ein für mich völlig neues Gebiet kennenzulernen, das jedoch seit den Tagen des "Electronic Beat Studios" fest dazu gehört und den Charme und den Reiz unserer Stadt ausmacht - und auch zu deren Wirtschaftskraft einen nicht unwesentlichen Teil beisteuert. übersehen wird dabei oft auch der integrative Aspekt, den diese spezielle Form der Musik auszuüben vermag.
Am ersten Tag der „Superbooth 23“ war ich am frühen Nachmittag mit Herrn Andreas Schneider, dem Inhaber von "SchneidersLaden" und Begründer der Superbooth, im Moratorium des FEZ verabredet. Hier, auf der Bühne des Moderatoriums, wollte er zunächst die Kinder- und Jugendarbeit des Künstlers Gammon und seines „Modular Synthesizer Ensemble“ dem Publikum präsentieren. Ein Projekt, das es Kindern zwischen 9-14 Jahren innerhalb von ca. 4 Stunden ermöglicht, einen Synthesizer intuitiv zu verstehen und am Ende dieses Workshops ein gemeinsames Konzert mit bis zu 12 Synthesizern aufzuführen.
Die Idee zu diesem „Ensemble“ entstand durch den Künstler Gammon, der es in Zusammenarbeit mit Wiener Schulen umsetzt. Als Herr Schneider dem ihn aus einer Band noch bekannten Gammon nach Jahren einmal zufällig wieder in Wien begegnete und von dessen Tätigkeit erfuhr, beschloss er, das Projekt des „Modular Synthesizer Ensembles“ erstmalig auf der „Superbooth 2017“ vorzustellen und Berliner Kinder dort auftreten zu lassen. Man merkte es den Neuköllner Schülern des "Campus Rütli" an, mit welcher Begeisterung sie dabei waren, auf der großen Bühne des Moderatoriums im FEZ das Gelernte unter Leitung von Gammon als Dirigenten einem größeren Publikum vorzuführen. Auch die elektronische Musik kann ein Helfer bei der Integration von Schülern aus sog. „Problembezirken“ sein, gibt man ihr und den Kindern nur eine Chance… Herrn Schneider ist die Heranführung von jungen Leuten – er selbst hat zwei Kinder – an die elektronische Musik besonders wichtig. Mit Gammon hat er jedenfalls jemanden gefunden, der diese Intention hervorragend umsetzt.
| Herr Schneider (rechts) stellt dem Publikum im Auditorium den Künstler "Gammon" (Mitte) vor - und die Geschichte, wie sie sich beide in Wien nach langer Zeit zufällig wieder trafen. Gammon erzählte während jenes denkwürdigen Aufeinandertreffens von seinem aktuellen Projekt, den Umgang mit modularen Synthesizern Kindern- und Jugendlichen näher zu bringen. Ein Projekt, an dem nicht nur Wiener Schulen gefallen fanden, sondern das damals auch Herr Schneider aufgriff, denn schon lange habe er nach einer Idee gesucht , auch den nachfolgenden Generationen moderne Formen der Musik näher zu bringen. Seither ist das "Modular Synthesizer Ensemble" des Künstlers Gammon Teil einer jeden Superbooth. In diesem Jahr mit Schülern des "Neuköllner Campus Rütli".
| Herr Gammon fungierte während des Auftritts der Kinder des Neuköllner Campus Rütli, denen er zuvor die wichtigsten Dinge eines Modularen Synthesizers erklärt hatte, als Dirigent, der die Einsätze der verschieden intonierten Instrumente vorgab.
| Man merkt es den Kindern an, mit welcher Konzentration und Begeisterung sie das zuvor über Modulare Synthesizer Gelernte umsetzten.
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| Eine der großen der Branche: Das auch aus anderen Industriezweigen bekannte japanische Unternehmen Yamaha. Links hinter dem silberfarbenen Monitor ist Herr Schneider zu sehen, welcher noch ein paar Fragen an den Yamaha- Vertreter hatte.
4 | Rundgang mit Herrn Schneider I
Nach dem Konzert des „Modular Synthesizer Ensemble“, dem ersten Konzert auf der diesjährigen Superbooth23 überhaupt, führte mich Herr Schneider, wie zuvor verabredet, durch das FEZ Gebäude und über das Messegelände.
Es erwartete mich die gesamte Fülle kleiner und größerer nationaler wie internationaler Produzenten von Synthesizern, Zubehör, Mischpulten und Gehäuseherstellern mit Ihrem Angebot. Immer wieder war dabei festzustellen, wie eng die Bindungen zwischen den Ausstellern, Herrn Schneider und den Musikern über die Jahrzehnte geworden ist. Denn die Messe versteht sich auch als ein Treffpunkt an dem die Chance groß ist, längst vergessene ehemalige Bandmitglieder, mit denen man einst aufgetreten war oder alte Freunde aus dem Musikbereich wieder zutreffen und vielleicht sogar dabei neue Projekte zu vereinbaren.
Kommunikation ist dabei alles. Erfahrungen werden über dieses oder jenes Equipment ausgetauscht oder man möchte das Vorhandene ausbauen und ergänzen. Denn schließlich ist einer der Vorteile des Modularen Synthesizer-Konzeptes, das sich die Geräte vieler Hersteller miteinander Verbinden und koppeln lassen. Bei unserem gemeinsamen Rundgang wies Herr Schneider daher immer wieder auf diesen oder jenen Entwickler hin, der mit seinen Eigenkonzeptionen im Laufe der Jahre nun zur Spitze des Musikbusiness gehört. Einer von ihnen ist sicher Michael Zähl, der mit seinen von ihm hergestellten Profi-Mischpulten der Oberklasse auf der Superbooth vertreten war.
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5 | Michael Zähl
1978 begann Michael Zähl seine Karriere zunächst als tontechnischer Assistent unter dem legendären, obgleich heute fast vergessenen Konrad „Conny“ Plank. Conny Plank war seinerzeit eine Koryphäe im Bereich der Studiotechnik. So nahmen etwa unter der Regie von Plank 1971 die Gruppen Ash Ra Tempel sowie die Scorpions im Hamburger "Star Studio" ihre erste LP auf.
Legendär ist auch eine andere Geschichte, die sich mit Conny Plank verbindet. 1969 hatten sich Conny Plank zwei junge Architektur-Studenten vorgestellt, die ihm um Hilfe für ihr erstes Demoband baten. Einer der beiden jungen Männer war der Sohn eines bekannten Architekten jener Zeit (u. a. 1970 Flughafen Köln-Bonn), Florian Schneider-Esleben, der andere Ralf Hütter. Auf Grund der von Conny Plank gewählten Location für die Demo-Aufnahmen tauften die beiden Studenten Ihre Gruppe von „Organisation“ bald in „Kraftwerk“ um. Auch die ersten Alben der Pioniere der später legendären Gruppe "Kraftwerk“ entstanden so mit Connys Hilfe.
1974 eröffnete Conny Plank sein eigenes Tonstudio. Bald nahmen hier Musiker und Bands wie Ideal, Herbert Grönemeyer, Heinz Rudolf Kunze oder DAF ihre Alben auf. Mit Ultravox produzierte er „Vienna“, weitere internationale Stars waren Gianna Nannini, Brian Eno (der Mitbegründer von Roxy Music) sowie die Eurythmics.
| Herr Michael Zähl von "Zaehl Elektronik-Tontechnik" aus Bergisch Gladbach. Wer Profi-Studiotechnik sucht, ist bei dem legendären Entwickler genau richtig.
| Dementsprechend groß war das Interesse an den Profi-Mischpulten von "Zaehl Elektronik-Tontechnik", die Herr Zähl auf der Superbooth gern allen Interessierten selbst erklärte.
Doch Conny Plank war nicht nur Studiobetreiber und Tonmeister, sondern feilte über Nächte hinweg und oft zusammen mit den Künstlern an immer neuen Klangtechniken und Studiogerätschaften. Plank gilt als Pionier des deutschen Kraut- und Electronic Rocks. Die Arbeit im Studio von Conny Plank, die auch den Bau von eigenen Mischpulten umfasste, war daher für Michael Zähl ein geradezu ideales Umfeld. Noch während seiner Zeit in Connys Studio entstanden erste Mischpult - Sonderanfertigungen, u.a. für das CAN-Studio.
1982 machte sich Michael Zähl selbstständig. 1985 konstruierte er ein Mischpult mit 56 Kanälen, welches in der Regie von Conny’s Studio bis zum Schluss seinen Dienst verrichtete. Heute gelten die von Michael Zähl in Bergisch Gladbach hergestellten Mischpulte wie z. B. das AM1 als State oft the Art im Bereich der analogen elektronischen Studiotechnik.
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6 | Rundgang mit Herrn Schneider II
Zu den Firmen, die schon seit langen auf der Superbooth vertreten sind, gehört die britische Firma „Kenton Electronics“. Entsprechend herzlich war die Begrüßung zwischen Herrn Schneider und dem Vertreter des seit 35 Jahren bestehenden Unternehmens.
Die Geräte von Kenton erfüllen eine wichtige Funktion. Denn oft besteht das Problem, das sich die von den Musikern im Laufe der Jahre angeschafften Synthesizer, Sequenzer und Controller verschiedenster Marken und Jahrgänge nicht so ohne weiteres miteinander verbinden lassen. Hier hilft Kenton mit seinen Produkten im Midi- Format weiter, die scherzhaft als „Klebstoff“ bezeichnet werden, welcher die Musiksysteme der Kunden zusammenhält.
Weiter Draußen auf dem weitläufigen Gelände des FEZ, in der sog. „Zeltstadt“ gab es nicht nur ein Gläschen Sekt für den Schreiber dieser Zeilen, sondern auch eine Begegnung mit Andreas Diermeier, der mit seinem originellen Neuköllner Unternehmen „Tante Frizzante“ auch das Getränke-Catering auf der Superbooth übernommen hatte.
| Man merkte bei dem Rundgang, den ich mit Herrn Schneider machen durfte, deutlich: mit vielen der Aussteller war Herr Schneider schon seit Langem bekannt. Auch wenn diesmal nicht der Inhaber von Kenton, John Price, mit dabei war, sondern lediglich einer seiner verantwortlichen.
| Dementsprechend freundschaftlich und wohl auch humoristisch waren die geführten Gespräche, wie hier mit dem Verantwortlichen von Kenton.
Neben den diversen Herstellern elektronischer Musikinstrumente und passendem Zubehör präsentierte sich aber auf der Superbooth auch die jeder Community zugehörige Influencer- und Medienlandschaft. Dazu gehörten auch jene beiden Herren, die auf einem alten Teppich samt mehrerer mindestens ebenso alter Sessel zum Interview luden.
Denn wenn es ums Thema „Video-Interviews“ in Sachen Technik und elektronische Musik geht, dann dürfen Sie nicht fehlen: der „Moogulator“ und „Dean Freund“ vom „Sequenzer-Talk“. Seit 2019 hat ihr wöchentlicher Block auf YouTube und Twitch eine stetig wachsende Fangemeinde. Während der Superbooth sah man die beiden u. a. auch mit Thorsten Quaeschning (dem musikalischen Leiter von Tangerine Dream), Teenage Engineering und vielen anderen im Interview.
| In der Zeltstadt der Superbooth war auch der seit 2019 auf YouTube aktive "Sequenzer-Talk" mit den Moderatoren Dean Freund (links auf dem Sessel) und dem "Moogulator (direkt daneben auf weißer Kiste) zu beobachten. Beide im Interview mit "Teenage Engineering", einem schwedischen Unternehmen, das auf der Superbooth seine neuesten Entwicklungen vorstellt.
| Herr Schneider (Mitte) in gelöster Stimmung. Der Rundgang mit ihm war nicht nur informativ, sondern, gern gebe ich es zu, auch unterhaltsam. Rechts der gleichfalls gut gelaunte Chef des Neuköllner Unternehmens "Tante Frizzante", Andreas Diermeier. Die Dame zur Linken ist Frau Nicole Raab, die zusammen mit ihrem Mann die "CBS Rixdorf GmbH", einem Weinhandel mit Galeriebetrieb am Richardplatz 7 in Neukölln betreibt. Sie beliefert Festivals wie das "Jazzfest Berlin", die "Fusion" und diverse Gastronomiebetriebe wie etwa auch "Tante Frizzante". Gemeinsam mit Andreas Diermeier beliefern sie bislang auch die "Superbooth".
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7 | Moog und Werner Herzog
Die Superbooth ist eine Messe der vielen großen und kleinen nationalen wie internationalen Hersteller im Bereich der elektronischen Musik. Eine gewisse Sonderstellung nimmt das von Robert (Bob) Moog in Trumansburg, USA begründete Unternehmen "R. A. Moog" (ab 1971 "Moog Music") ein, welches 1964 den ersten weltweit verbreiteten Synthesizer herausbrachte. Robert Moog stieß damit eine Entwicklung an, welche die Musik inzwischen dominiert. Den Durchbruch brachte 1968 jedoch eine Langspielplatte für Moog: «Switched-On Bach» hieß das Album, auf dem Kompositionen von Johann Sebastian Bach auf den Synthesizern von Moog gespielt wurden - quasi die Verbindung zwischen moderner Technik und klassischer Musik.
Moog dürfte zudem wohl auch das einzige Unternehmen sein, für deren Synthesizer eigens ein instrumentaler Welthit kreiert worden ist. 1969 schaffte der von Gershon Kingsley für das Album "Music to Moog By" geschaffene Instrumentalhit "Pop Corn" es in die Charts – 1971 wiederholte der Keyboarder Stan Free unter dem Pseudonym „Hot Butter“ mit einer Neuaufnahme den Erfolg – ein Instrumentalhit, der sich bis heute hartnäckig nicht nur in den Radiosendern hält.
| Die Tochter des Firmengründers, Robert Moog, Frau Michelle Moog-Koussa. Sie ist Vorsitzende der "Bob Moog Foundation".
| Michelle Moog-Koussa ist Vorsitzende der "Bob Moog Fundation", deren Anliegen sie auch auf der Superbooth vertrat.
Moog besitzt als Unternehmen der ersten Stunde einen heute geradezu legendären Ruf. So wurden Moog Synthesizer von Bands und Musikern wie Keith Emerson (Emerson, Lake and Palmer), den Beatles, Stevie Wonder, Yes, den Beach Boys und vielen anderen verwendet.
Aber auch in der Filmmusik jener Jahre waren Moog Synthesizer präsent, vor allem dann, wenn die gewünschte Stimmung und Tonalität des jeweiligen Films mit klassischen Instrumenten kaum zum Ausdruck gebracht werden konnte. Als Werner Herzog für seinen 1972 fertiggestellten Film „Aguirre, der Zorn Gottes“ mit Klaus Kinski in der Hauptrolle zunächst erfolglos auf der Suche nach einer für das epochale Werk passenden Filmmusik war, machte ihn eine gute Freundin auf den Komponisten und Musiker Florian Fricke und dessen Band „Popol Vuh“ aufmerksam. Friecke, der seinen rund 60.000 DM teuren Moog-Synthesizer von seinem Nachbarn Eberhard Schoener (arbeitete u. a. mit Tangerine Dream oder Sting zusammen) erworben hatte wurde fortan zum Komponisten vieler Kinofilme von Werner Herzog.
Doch 1971 musste Robert Moog, welcher 1970 auch den legendären, gegenüber den bisherigen Geräten erheblich kostengünstigeren "Minimoog" entwickelt hatte und dessen Talent eher im technischen als im kaufmännischen zu sehen war, seine Firma „Moog Music“ verkaufen, in der er noch eine Zeit lang als Angestellter tätig war.
Nach dem Tod des Firmengründers im Jahre 2005 stellte sich für die Familie Moog die Frage, auf welche Weise die nun schon legendäre Biographie Robert Moogs und die Geschichte des Unternehmens für die Nachwelt bewahrt und aufgearbeitet werden solle. Dies führte 2005/2006 zur Gründung der „Bob Moog Foundation“ in „Asheville, North Carolina“, dem Ort, an dem Robert Moog die letzten 25 Jahre lebte und arbeitete. Zu den Aufgaben der ehrenamtlichen Stiftung, um die sich heute insbesondere Robert Moogs jüngste Tochter, Michelle Moog-Koussa, kümmert, gehört aber auch der Betrieb der „Dr. Bob’s SoundSchool“ sowie des 2019 eröffneten „Moogseum“ in Asheville.
Auf der Superbooth23“ hatte ich Gelegenheit, mit Frau Michelle Moog-Koussa zu sprechen. Sie stellte die soeben erschienene Biografie über Ihren Vater vor und berichtete über ihre Stiftungsarbeit.
| Robert (Bob) Moog in seiner Werkstatt. Quelle: Moogseum
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| Doepfer als Sponsor auf der Seebühne der Superbooth. Hier hat gerade Nadia Struiwigh ihren Auftritt.
8 | Doepfer aus Gräfelfing
Das in Gräfelfing ansässige, von Dieter Döpfer gegründete Unternehmen begann 1977 zunächst, Zubehörgeräte für den damals von der noch heute bestehenden elektrotechnische Zeitschrift „Elektor“ angebotenen Selbstbausynthesizer „Formant“ herzustellen.
Nach dem Döpfer sein Physikstudium beendet hatte, absolvierte er in einem Münchner Krankenhaus seinen Zivildienst. Für die dortige Abteilung für Augenheilkunde mit ihrem neuem Lasergerät kam Döpfer als Physiker gerade recht. Döpfer wiederum profitierte von der Abteilung für Spezialelektronik, die hier im Krankenhaus die neue Lasertechnik entwickelt hatte – und in der er heimlich auch Synthesizerschaltungen für sein PMS (Polyphones Modul System), einem Kunden-Bausatzsystem, entwarf.
Viele der damals entworfenen Schaltungen konnten später auch im erfolgreichen Ableger des PMS, dem A-100, verwendet werden. Bis Mitte der neunziger Jahre wurden allein hiervon über 20.000 Stück verkauft.
Typisch für Doepfer war es, neue Synthesizer in enger Abstimmung mit Musikern zu entwickeln, so etwa 1992 den MIDI Analog-Sequenzer MAQ16/3, der gemeinsam mit der Gruppe Kraftwerk entstand.
Vier Jahre später entstand der modulare Synthesizer A-100, dessen von der Labor- und Messtechnik abgeleiteten Baugröße, sowie die Offenlegung wichtiger Details (wie etwa der Stromversorgung oder der internen Verkabelung) den Synthesizer zum europäischen, als „Eurorack“ bezeichneten Standard werden ließen. Dank der Vielzahl an Anbietern, welche den neuen, erheblich preiswerteren europäischen Standard nunmehr für ihre Entwicklungen nutzten, ergab sich eine regelrechte Renaissance der einst extrem teuren Modul - Synthesizer.
| Nadia Struiwigh auf der Seebühne.
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| Georg Hearn bei der Vorstellung und Erklärung seines "Gemini" - Synthesizers.
9 | Die "Gesprächskonzerte"
Eines der Markenzeichen der „Superbooth“ ist, dass weniger die Synthesizer an sich, sondern deren Möglichkeiten, also das, was man mit Ihnen tun kann, im Vordergrund stehen. In diesem Kontext sind auch die „Gesprächskonzerte“ zu sehen, die im Auditorium des FEZ stattfanden. Hier spielten die Entwickler ihre neuen Modelle selbst und erklärten diese dem Publikum, welches das Ganze nicht nur auf der Bühne, sondern gleichzeitig auch auf einer Großbildleinwand verfolgen konnte. Eine neue Form der Präsentation, die weit über die sonst auf Messen üblichen rein theoretischen Erklärungen hinausgeht.
Während meines Besuches konnte ich dem Synthesizer-Designer George Hearn während eines dieser Gesprächskonzerte erleben. 2018 hatte Georg Hearn sein Unternehmen „UDO“ in Bristol begründet und gehörte recht bald zu den bekannteren Herstellern von Synthesizern. Im Auditorium stellte er seinen „Gemini“- Synthesizer vor, von dem sich das Publikum regelrecht begeistert zeigt.
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10 | Berliner Unternehmen
Natürlich waren auch namhafte Berliner Unternehmen der Branche auf der Superbooth vertreten. Hierzu gehört etwa „Hedd Audio“, die sich mit Ihren High-End Studio Monitoren und Kopfhörern im FEZ - Puppentheater mit Michael Zähl zusammengetan hatten. Herr Schneider zeigte mir denn auch voller Begeisterung den neuentwickelten Kopfhörer dieses Unternehmens. Dass das Unternehmen sich auf der Superbooth zusammen mit Zähl präsentierte, spricht für sich…
Im Foyer des FEZ befand sich mit der in der Reinickendorfer Weststraße unweit des U-Bahnhofs Scharnweberstraße ansässigen „Tegeler Audio Manufaktur" ein weiteres Berliner Unternehmen, das sich auf hochwertige Studiotechnik spezialisiert hat. 2005 von Michael Krusch gegründet, stellt Krusch mit seinen Mitarbeitern High End Geräte her, die nicht nur technisch, sondern auch optisch mit zu dem Besten gehören, was – je nach Anwendungszweck - augenblicklich auf dem Markt verfügbar ist. Alle Geräte werden in Tegel handgefertigt. Als Zulieferer dienen meist weitere Berliner Unternehmen, die z. B. nach den Plänen von Tegeler die Platinen entsprechend bestücken.
Unter dem Markennamen "CG Products" vertreibt Christian Günther - ein herausragender Audiokünstler aus Berlin - unzählige interessante und ungewöhnliche Musikmaschinen, Synthesizer und sonstiges Zubehör.
Eine vollständige Liste aller aus Berlin stammenden, auf der Superbooth vertretenen Hersteller wäre lang - vielleicht werde ich diese Unternehmer und Entwickler einmal bei einem weiteren Besuch in den kommenden Jahren vorstellen.
| Das eigens für "CG Products" aus der Kreuzberger Foster Straße errichtete Zelt auf der Superbooth. Während meines Rundgangs mit Herrn Schneider (Mitte rechts) sprach dieser mit einigen Mitarbeitern des Unternehmens.
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11 | Ausklang. Resümee
Die Superbooth ist zweifellos als größte europäische Messe für elektronische Musikinstrumente „die“ Leitmesse“ der Branche. Sie zeigt zugleich, wie wichtig der Standort Berlin weiterhin für die analoge aber auch computergesteuerte Synthesizertechnik ist. Sie ist Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Branche, deren Potential und Kreativität. Oft unterschätzt wird auf der Superbooth deutlich, wie es sich selbst große bekannte ausländische Hersteller kaum mehr leisten können, nicht in Berlin präsent zu sein.
In insgesamt 5 Beiträgen (siehe Auswahlmenü direkt über dem Inhaltsverzeichnis dieses Artikels) berichte ich über die Bedeutung der elektronischen Musik für Berlin - und die Bedeutung der Stadt ihrerseits für die moderne Musik. Denn inzwischen gibt es kaum mehr ein Genre - egal ob Rock, Pop, Schlager oder Filmmusikkompositionen, das ohne elektronische Musikinstrumente auskommt.