Spedition Albert Mann
Ein Familienbetrieb im Wandel
Einleitung1
1 | Einleitung. Ein Familienbetrieb im Wandel
Bild und Text: Lutz Röhrig
Bis in die 1980er Jahre war die direkt gegenüber dem S - Bahnhof Yorckstraße ansässige "Internationale Spedition Albert Mann" für viele ein Begriff, gehörte das 1918 gegründete Transportunternehmen für Wein - und Spirituosen zeitweilig zum größten seiner Art im damaligen West - Berlin. Der riesige Lagerschuppen der Spedition wurde bis zu 2x die Woche von einem mit Weinfässern beladenen Güterzug angefahren, was vom gegenüberliegenden Bahnsteig des S - Bahnhofs gut beobachtet werden konnte.
Mit dem Erwerb großer Teile der alten Bockbier - Brauerei an der Fidicinstraße verfügte das Unternehmen nicht nur über weitere Lagermöglichkeiten, sondern erschloss sich mit der Vermietung nicht benötigter Flächen auch ein zusätzliches Geschäftsfeld. So waren in einem Teil der alten Brauereikellern etwa auch die Senatsreserve für Spirituosen - mehrheitlich Rum - untergebracht.
Nach dem Ende des Speditionsbetriebs und der Sanierung der alten, denkmalgeschützten Brauereigebäude konzentriert sich das Unternehmen schließlich ganz auf die Vermittlung hochwertiger Büroflächen. Die "Kasten - Mann Real Estate Advisors GmbH & Co. KG" ist bis heute ein Familienbetrieb, die sich mit der "Kasten - Mann Stiftung" auch für notleidende Menschen in Berlin sowie für internationale Entwicklungshilfeprojekte einsetzt.
Der Artikel über die Spedition Albert Mann ist Teil der historischen Recherche über das frühere Bahngelände zwischen der Yorck- und der Bautzener Straße, zu dem auch das einstige Gaststättengebäude an der Yorckstraße, in dem bis vor wenigen Jahren die Kultkneipe "Zum Umsteiger" ansässig war, gehörte. Große Teile des Areals sind heute mit Wohnungen und Gewerbeeinrichtungen des Quartiers "Neu Schöneberg" bebaut.
Gruendung2
2 | Die Gründung der Fa. Albert Mann
Die Geschichte der Spedition Albert Mann beginnt am Ende des Ersten Weltkriegs, als sich im Jahre 1918 Franz Albert Mann (*18.03.1879 Lüben, heute Lubno, Polen) dazu entschloss, ein Fuhrunternehmen zu begründen. Was ihn genau dazu bewog, ist nicht bekannt. Sicherlich mag bei seiner Entscheidung auch das künftige wohlergehen seiner Familie eine Rolle gespielt haben. Seit dem 18. April 1906 war er mit Anna Frieda, geborene Voigt, verheiratet. Aus dieser Beziehung stammen der am 7. 11. 1906 geborene Sohn Walter und die am 17. August 1909 geborene Tochter Charlotte.
Ansässig war das junge Unternehmen in der "Johannisstraße 5" im heutigen Berliner Bezirk Mitte. Eine insbesondere unter Musikliebhabern keine unbekannte Adresse, schließlich gehörte das Gebäude keinem geringeren als C. Bechstein, der hier und in den beiden angrenzenden Häusern seine Klavierfabrikation betrieb. Ob der Fa. C. Bechstein oder einem der Zulieferer die ersten Aufträge der Fa. Mann zu verdanken sind?
Jedenfalls bleibt das Unternehmen auch über die gewiss wirtschaftlich nicht einfachen 1920er Jahre hinweg erfolgreich. 1929 übernahm Albert Manns Sohn, Walter Mann, die Leitung des inzwischen auf den Transport von Wein - und Spirituosen spezialisierten Betriebs.
Angesichts der seinerzeit üblichen Versendung von Wein in 600 Liter Fässern - den rund eine Tonne wiegenden "Halbstücken" - und der relativ geringen Leistungsfähigkeit damaliger LKW lag es nunmehr nahe, sich einen neuen Standort zu suchen, der auch einen Bahnanschluss besaß.
Für das Jahr 1932 findet sich im Berliner Adressbuch erstmals kein Eintrag unter der Adresse Johannistraße 5. Dafür ist das nun als Spedition bezeichnete Fuhrunternehmen 1933 unter der Adresse "Yorckstraße 35" zu finden - und damit an jenem unmittelbar neben dem Bahnhof der heutigen S2 gelegenen Standort, auf dem die Fa. Mann bis in die 1980er Jahre ansässig blieb.
Das auf dem Bahngelände an der Yorckstraße gelegene Grundstücke bot alles, was ein Speditionsunternehmen dieser Größe benötigte: Ein von der Yorckstraße über eine Treppe erreichbares Bürogebäude, einen riesigen Lagerschuppen mit Gleisanschlusses und eine genügend große, von der Bautzener Straße aus bequem anzufahrende Abstellfläche für Fuhrwerke und den immer mehr aufkommenden Lastkraftwagen.
Das Geschäft lief gut, da nur wenige Berliner Firmen in der Lage waren, die schweren Weinfässer zu transportieren. Man brauchte Spezialwerkzeug und vor allem erfahrene Leute, die im Umgang mit den unhandlichen Fässern geübt waren.
Vier Jahre nach dem sich als erfolgreich erweisenden Umzug zur Yorckstraße, am 25. September 1937, heiratete Walter Mann Edith Brehmer. Am 30. Juni 1939 kam Tochter Hannelore zur Welt. Zwei Monate später begann der Zweite Weltkrieg, welcher die junge Familie wie auch das Unternehmen vor neuen Herausforderungen stellen sollte.
| Die Beladung eines LKW der Fa. Mann auf dem Speditionsgelände an der Yorckstraße 1935. Da es nur wenige Unternehmen in Berlin gab, welche die schweren, rund eine Tonne wiegenden "Halbstücke" handhaben und transportieren konnten, war die Fa. Mann bei allen Weinfesten immer dabei. Ganz rechts der Firmeninhaber.
Bahngelaende3
| Planzeichnung vom 5.3.1942 zur nachträglichen Genehmigung einer bereits aufgestellten Baracke und von Anbauten am Speditionsschuppen der Fa. Albert Mann. Der Bahnanschluss des Speditionsschuppen erfolgte während dieser Zeit noch ausschließlich über eine separate, neben dem Gleis der S-Bahn liegenden Brücke, welche die Verbindung zum auf der anderen Seite der Yorckstraße gelegenen Güterbahnhof der Dresdner Bahn (heute Gelände des Hellweg - Baumarktes) herstellte.
3 | Der Speditionsbetrieb während des Krieges
Über die Kriegsjahre finden sich nur wenige Unterlagen. Am 20. April 1941 verstarb nach langer, durch einen Schlaganfall bedingter Krankheit im Lankwitzer Johanniterheim der Firmengründer Albert Mann.
In den Bauakten sind für die Kriegszeit einige Erweiterungen des großen Speditionsschuppens an der Yorckstraße belegt. Am 29. Januar 1942 - und damit bereits während des Zweiten Weltkriegs - hatte die Spedition ein Schreiben an die Schöneberger Baupolizei eingereicht, in dem Sie um die nachträgliche Genehmigung einer bereits Anfang Dezember 1941 aufgestellten und in Betrieb genommenen zusätzlichen Baracke auf dem Lagerplatz 113 - wie die Reichsbahn das Pachtgrundstück an der Yorckstraße bezeichnete - bat. Es sollte Platz für 26 Arbeiter geschaffen werden, da der bisherige, lediglich 12 qm große Aufenthaltsraum kaum für diese hohe Anzahl an zusätzlichen Arbeitskräften geeignet war.
Teilweise, so wird in dem Antrag geschildert, mussten die Arbeiter sich auf dem Speicher (Dachboden) des Gebäudes umziehen. Die nun aufgestellte Baracke war von der Firma H. G. Paul Erfurt aus Neustadt am Rübenberge geliefert worden, die für den Aufbau auch eigens einen "Montagemeister" nach Berlin entsandt hatte. Die Ursache für diesen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften und der entsprechenden Aufstellung einer Baracke für Pausenräume inmitten des Krieges war, das die Arbeiter als sog. "Bahnhofsräumer" zur Verfügung stehen mussten um ankommende Güterzüge möglichst schnell zu entladen. Schließlich waren Bahnanlagen bevorzugte Ziele Alliierter Bomber. Die Firma kam so verhältnismäßig gut durch den Krieg. Allerdings musste ein Großteil der LKW an die Wehrmacht abgegeben werden.
Zu den 1942 genehmigten Arbeiten am Speditionsschuppen gehörte auch die Erweiterung des Daches und der Laderampe, die nun dem Radius des in einem Bogen auf den Schuppen zulaufenden Anschlussgleises folgte. Der Speditionsschuppen selbst erhielt einen auf dem vorhandenen Heizungskeller errichteten Anbau, was die überdachte Ladefläche weiter vergrößerte. Verantwortlich für die Planung und vermutlich auch für die Bauausführung war das "Büro für Bauausführungen Bruno Seidel".
Aus den Planzeichnungen geht hervor, das nach wie vor die vom ehem. Güterbahnhof der Dresdner Bahn (heute Fläche des Hellweg - Baumarktes) kommenden Züge über eine neben dem S-Bahngleis liegenden Brücke das Anschlussgleis der Spedition anfahren mussten. In späterer Zeit erfolgte dies über die nahe an der Bautzner Straße gelegenen Brücke, über die auch die übrigen Unternehmen auf dem Gelände versorgt wurden. Die für den Speditionsschuppen bestimmten Waggons konnten dann auch nach dem passieren mehrerer Weichen aus südlicher Richtung auf das Anschlussgleis rangiert werden. Mit der endgültigen Umstellung des Betriebs auf LKW erfolgte auch die Aufgabe des Eisenbahnanschlusses und damit auch der Rangierfahrten über die Brücke.
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4 | Das Gelände Yorckstraße nach dem Ende des Krieges
Auch nach dem Krieg liefen die Geschäfte der Fa. Mann recht gut, da das Unternehmen hinsichtlich Transport und Handhabung der unhandlichen bis zu einer Tonne schweren "Halbstücke" mittlerweile im Westteil der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal besaß.
Eine der ersten belegten Baumaßnahmen nach dem Krieg auf dem Gelände an der Yorckstraße war der Bau einer Tankanlage mit Zapfstelle zur Eigenversorgung der Firmenfahrzeuge.
Ausgeführt wurde eine Anlage der zum Wintershall - Konzern gehörenden "Nitag Deutsche Treibstoffe Aktiengesellschaft". Die Anlage bestand bis zur Aufgabe des Firmengeländes an der Yorckstraße in den 1980er Jahren.
| Genehmigungszeichnung zur Errichtung eines Anbaus am Speditionsschuppen der Fa. Albert Mann vom 11. Juni 1969. Die Brücke neben dem S-Bahngleis bestand indes - anders als es die Zeichnung vermittelt - weiter und wurde auch nachweislich bei Rangierfahrten bis zur Aufgabe des Gleisanschlusses auf Grund der Umstellung auf LKW genutzt.
| Genehmigungszeichnung zur Errichtung eines Anbaus am Speditionsschuppen der Fa. Albert Mann vom 31. Juli 1969. Die Unterlagen sind inzwischen durch den Dipl. - Ing. Viktor Kremser, welcher im Zehlendorfer Rhumeweg 14 sein Büro hatte, in statischer Hinsicht geprüft und offenbar für genehmigungsfähig befunden worden. Mindestens ein Foto belegt die tatsächliche Ausführung.
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5 | Der Kauf der alten Bockbrauerei
Sah sich die Fa. Alfred Mann auch in Berlin in einer wirtschaftlich guten Situation, so stellten größere Investitionen angesichts der ungewissen politischen Lage und der sich immer stärker abzeichnenden Teilung der Stadt doch ein hohes Risiko da. Walter Mann ging jedoch das Wagnis ein als er erfuhr, das Schultheiss das Gelände der alten Bockbierbrauerei an der Fidicinstraße verkaufen wolle.
Schultheiss hatte das Gelände bereits im Zusammenhang mit der Patzenhofer Fusion 1920 erworben, den Brauereibetrieb jedoch wenige Monate später eingestellt.
Seither wurde das Gelände an verschiedene Firmen durch Schultheiss vermietet, es entstand im Laufe der Zeit eine Art Gewerbehof. Der Saalbau an der Fidicinstraße wurde zu einem beliebten Veranstaltungsort u. a. auch für Boxkämpfe (z. B. mit dem populären Boxer Johann "Rukeli" Trollmann, einem Sinto.
Die Nazis entzogen Johann Trollmann später seinen Meistertitel und zwangen ihn zu einer Niederlage, um die Überlegenheit "arischer" Kämpfer zu demonstrieren). Zudem fanden im Saalbau auch politischen Veranstaltungen statt.
| Die alte Bockbrauerei auf einer Karte der Jahrhundertwende. 1897 hatten Paul Finkenrath und Paul Grasnick gemeinsam den Postkartenverlag gegründet, doch bereits ein Jahr später verließ Paul Grasnick die Firma und gründete seinen eigenen Verlag. Der Verlag Paul Finkenrath war recht erfolgreich, doch 1911 wurde er aufgegeben.
| Das Schwankhaus der ehem. Bockbrauerei nach der Übernahme durch die Fa. Albert Mann. Nur das Erdgeschoss wurde zunächst genutzt, dem Gebäude fehlte noch das im Krieg zerstörte das Dach. Im rechten Winkel zum Schwankhaus (hinter den Fässern gerade noch im Anschnitt erkennbar) entstand eine Garagenzeile.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ Schultheiss 1951 die Ruinen zerstörter Gebäude abtragen und das Grundstück 1955 für den Verkauf teilen. Während der Berliner Senat den westlichen, ursprünglich von Ruinen des Saalbaus und dem zugehörigen Biergarten der alten Bockbierbrauerei belegten Teil des Grundstückes zum Bau eines Seniorenheimes erwirbt, kauft Walter Mann den östlichen Teil, auf dem sich das frühere Betriebsgelände der alten Brauerei mit den alten Gewölbekellern befindet.
Trotz des unklaren politischen Status des Westteils der Stadt investierte Walter Mann neben dem Kaufpreis weitere erhebliche finanzielle Mittel, um die alten Gebäude der Brauerei seinen Bedürfnissen anzupassen. Bis 1958 wurden die Pferdeställe in Garagen für die Lastkraftwagen des Unternehmens umgebaut und auf dem Grundriss des ehem. Brauereigebäudes entstand eine neue Lagerhalle. Westlich der Lagerhalle ließ Walter Mann zudem ein Bürogebäude errichten. 1959 musste der noch in Betrieb befindliche Schornstein des Schwankhauses um 4 Meter gekürzt werden, da die US Air Force um die Sicherheit ihrer den benachbarten Flughafen Tempelhof anfliegenden Maschinen fürchtete.
Nach und nach wurden weitere Gebäude für die unterschiedlichsten Nutzer bis 1960 wiederhergestellt. unter diesen Nutzern befand sich u. a. eine Rösterei mit Auslieferungslager von Jacobs Kaffee oder der Weingroßhandel Habel.
Mit dem Kauf des Geländes der alten Bockbrauerei verschaffte sich die Fa. Albert Mann trotz der hohen Anfangsinvestitionen einen entscheidenden Vorteil in einer Zeit, da Wein fast ausschließlich von den Produzenten in Fässern abgefüllt wurde.
Über 4000 Quadratmeter Lagerfläche standen in den alten, sich in rund 12 m Tiefe befindenden Gewölbekellern zur Verfügung, die ohne besondere Klimatechnik und damit zusätzlichen Kosten die für Wein richtige Temperatur und Luftfeuchtigkeit boten. Ein Umstand, den auch der Senat von Berlin zu nutzen wusste, lagerten in den Kellern doch auch rund 50.000 Liter Rum der Senatsreserve.
Das zusätzlich auch Mietseinkünfte durch die Vermietung von Gewerbeflächen erzielt werden konnten, war nicht nur auf Grund der Größe des Geländes und der vorangegangenen Investitionen für die Fa. Albert Mann eine Notwendigkeit, sondern sollte sich in späteren Jahren noch in besonderer Weise als Vorteilhaft erweisen...