Neue Nationalgalerie
Seltene Fotos
der Bauphase 1966-1967

Neue Nationalgalerie
Seltene Fotos der Bauphase 1966-1967
1 | Ein Zufallsfund
Text: Lutz Röhrig Bild: unbekannter Fotograf, Zufallsfund.
Zufallsfunde in Bildsammlungen, die man aus ganz anderer Motivation heraus erwarb, sind mitunter spannend. So erreichte mich der Anruf eines Freundes, ob ich Interesse an alten, nicht näher zuzuordnenden Dias vom Bau der Neuen Nationalgalerie in den 1960er Jahren hätte… Natürlich. Und ob! Die Dias wurden von mir digitalisiert, da die Originale an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Träger der Neuen Nationalgalerie gehen sollten- und die zuvor ihrerseits gern einer Veröffentlichung auf zeit-fuer-berlin.de zustimmte. Es sind spannende Aufnahmen eines im Aufbau begriffenen Kulturforums und der aus damaliger Sicht technischen Großtat einer kompletten Anhebung des fertiggestellten, rund 1260 Tonnen schweren Daches auf seine lediglich vier außerhalb des Gebäudes liegenden Stützpfeiler.
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Und auch Fotos des Architekten der Neuen Nationalgalerie, Mies van der Rohe, welcher, obwohl bereits schwer erkrankt, insgesamt zweimal aus den USA nach Berlin gereist kam (am 23.9.1965 zur Grundsteinlegung und im April 1967 zum Richtfest), sind vorhanden. Ein Jahr nach Fertigstellung seines einzigen Nachkriegswerkes in Deutschland verstarb er. Sein Enkel Dirk Lohan, welcher nach seiner Ausbildung an der TH München im Chicagoer Büro seines Onkels arbeitete, war bereits damals am Bau der Neuen Nationalgalerie beteiligt und mehrfach in Berlin anwesend, ist heute eine wichtige Quelle für die seit 2016 laufende Generalsanierung der Neuen Nationalgalerie unter Leitung des Architekten David Chipperfield. Die Wiedereröffnung des ikonografischen Bauwerkes, das um eine Tiefebene für weitere Serviceräume sowie einer Verbindung zum gerade geplanten neuen Museum der Moderne ergänzt wird, wird für April 2021 erwartet.
| Der Baugrund ist geebnet, die Stützmauer an der Sigismundstraße beinahe fertiggestellt. Die aus dem Boden ragenden Bewährungseisen deuten die Lage der künftigen Pfeiler des Tiefgeschosses der Neuen Nationalgalerie an. Noch stehen - im Hintergrund zu sehen - einige Altbauten an der Potsdamer Straße. Durch das Gitterwerk des rechten Kranes ist gerade noch die Kriegsruine des "Haus Vaterland", einer von Franz Heinrich Schwechten (u. a. Anhalter Bahnhof und Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche) errichteten Großgaststätte, erkennbar.
2 | Fundamentlegung und Bau des Untergeschosses.
| Die Bewährung der Fundamentplatte ist errichtet, die Kanten sind mit hölzernen Stützen und Schalungsplatten gesichert. Nun beginnt der Guss der Bodenplatte. Über ein Rohrsystem wird der flüssige Ortbeton herangeführt. Arbeiter streichen die Oberfläche glatt bzw. beseitigen mit Vibratoren (Rüttlern) etwaige Lufteinschlüsse. Der Blick geht über die Baugrube und der Stützmauer an der Sigismundstraße hinaus zur St. Matthäuskirche (links) und der ebenfalls im Bau begriffenen Philharmonie (rechts) des Architekten Hans Scharoun.

| Stützpfeilerbau der späteren Decke des Untergeschosses. Der breite Pfeiler links im Vordergrund wird später einmal eine der Stahlstützen des Daches des Obergeschosses tragen. Die Befestigungsbolzen der Stützen sind bereits zu sehen. Rechts oben der abgefangene Rand der Baugrube zum Reichpietschufer.
3 | Der Bau des Daches
| Das künftige Dach wird aus u-förmig zu verschweißenden Stahlplatten zusammengesetzt, die einen nach unten offenen Kasten ergeben. Auf der Innenseite wurden Profile zur Verstärkung der eigentlichen Dachoberseite angeschweißt. Auf der Unterseite der Bleche schweißte man hingegen flache Profile an, welche die Verbindung zu den benachbarten Elementen herstellten. Die Kästen wurden auf eigens verlegten Gleisen auf der Decke des bereits fertiggestellten Untergeschosses bewegt, um sie so besser zusammenfügen zu können.
| Nacheinander werden die geschweißten Kästen nun zu einem kompletten Dach auf der Decke des Untergeschosses zusammengefügt. Einzelne Träger der Geschossdecke waren, um die während der Montage anfallenden zusätzlichen Lasten besser abfangen zu können, zusätzlich armiert worden. Zudem hatte man im Untergeschoss zusätzliche Stützen aufgestellt.
| Blick unter das nach unten hin offene Dach. Gut zu erkennen sind die flachen Trägerprofile, welche quer zu den einzelnen Dachelementen verlaufend auf der Unterseite angeschweißt worden sind. Die gesamte Dachkonstruktion war etwa 1,5m über der Decke des Untergeschosses auf einem Lehrgerüst zusammengesetzt worden.
4 | Anhebung des Daches
| Das obere Ende eines der Hubgerüste. Zu sehen sind die drei Heber, die ihre Kraft auf jeweils zwei Zugstangen einwirken ließen. Rechts ist wieder die Potsdamer Straße, von der nach links oben hinter der Philharmonie vorbei die Entlastungsstraße abzweigt. Ganz rechts liegt das Hotel Esplanade am Originalstandort. 40 Jahre später sollten hier Wim Wenders Engel einkehren... Nach der Wiedervereinigung erfolgte dann die Versetzung einiger denkmalgeschützter Räume ins Sony-Center.
| Ölpumpe der Hubanlage. Im Hintergrund ist die noch stehende Altbebauung längs des ehem. Bahngeländes der Potsdamer Bahn zu sehen. Ganz links sieht man die Ruine des Haus Vaterlands am Potsdamer Platz, in der Mitte das Deutschlandhaus und rechts das im Bau begriffene Excelsiorhaus, das von 1966-68 entstand.
| Ein weiterer Blick unter das gehobene Dach. Der LKW der heute nicht mehr bestehenden Lebensmittel - Filialkette Carisch Kaffee fährt auf der Potsdamer Straße. Dahinter die alte Bebauung längs des ehemaligen Bahngeländes der Potsdamer Bahn.
| Der obere Teil der Hebevorrichtung, zu der Hydraulikschläuche der auf dem Dach aufgebauten Hubaggregate führen. Für die Träger der Hubgerüste und für die Zugstangen waren eigens Löcher in die Dachkonstruktion eingeschnitten worden. Im Hintergrund die ausgebaute Potsdamer Straße mit einigen noch abzureißenden Altbauten. Nach links zweigt die neue, auf Grund der Grenzziehung notwendig gewordene Entlastungsstraße durch den Tiergarten ab.
| Ein Autokran bei seiner Arbeit. Vermutlich wurden hier die Hebevorrichtungen demontiert, da das Dach bereits in seiner endgültigen Lage war. Im Hintergrund die Potsdamer Straße, die damals noch nicht nach rechts zum Potsdamer Platz (dieser lag inmitten des Sperrgebiets der Berliner Mauer) führte, sondern nach links zur Entlastungsstraße.

| Links der Enkel Mies van der Rohes, Dirk Lohan, im Gespräch mit einem heute nicht mehr namentlich bekannten Herren - vermutlich am Tage des Richtfestes. Der Blick geht in Richtung Philharmonie mit dem noch nicht abgebrochenen Altbau an der Potsdamer Straße.
5 | Richtfest des Daches in Anwesenheit Mies van der Rohes und seines Sohnes
| Die Vorrichtung für den Richtkranz war fertig. Ein letzter kontrollierender Blick. Im Hintergrund rechts die immer noch beeindruckende Ruine des Haus Vaterlands, dahinter das Springer-Hochhaus. Der qualmende Schornstein stammt vom Kraftwerk Mitte an der Köpenicker Straße. Die Altbauten in Bildmitte wurden bald abgebrochen, nur das Hotel Esplanade links davon blieb weiter stehen.

| Der unbekannte Fotograf der Bilderserie über den Bau der Neue Nationalgalerie hatte offenbar auch einen Blick für die im Entstehen begriffene Architektur der Umgebung. Während der Altbau links dem Abbruch zum Opfer fiel, entstand unmittelbar hinter dem Shell - Haus in den Jahren 1965 - 67 der Neubau der Verwaltung der GASAG durch den Architekten Paul Baumgarten. Baumgarten war nicht nur durch den Wiederaufbau und die Neugestaltung des Berliner Reichstagsgebäudes bekannt geworden, sondern hatte u. a. auch vor dem Krieg die Berliner Müllverladestation am Spreekreuz errichtet. Leider legte man in neuerer Zeit nicht mehr allzu viel Wert auf den an sich bedeutenden Architekten. Das Verwaltungsgebäude wurde nach 2000 für einen Hotelkomplex abgebrochen.