Street - Art
in Berlin
Zu schön, um wegzusehen
Topanker
Bild und Text: Lutz Röhrig
Graffitis sind meist ein Ärgernis, verschandeln sie doch manches Bauwerk durch unbedachte Tags und Kritzeleien. Der Wert eines Bauwerks wird durch sie erheblich abgewertet, sind Graffitis doch auch Ausdruck mangelnder Pflege und Wertschätzung des Gebäudes durch den Eigentümer.
Doch mitunter geraten Graffitis auch zu einer eigenständigen Kunstform, deren Künstler durch private wie öffentlichen Bauträger beauftragt werden, um langweilige oder gar als "hässlich" empfundene Ecken ein wenig aufzuhübschen - mithin also Mängel der gebauten Architektur abzumildern und diese so aufzuwerten.
Die nachfolgenden Beispiele erheben natürlich keinen repräsentativen Anspruch auf Vollständigkeit - die gibt es bei dieser Kunstform nicht. Neues kommt hinzu, Bisheriges verschwindet aufgrund von Gebäudeinstandsetzungen, Abbruch oder einfach hinter "wildem" Graffiti.
| Sein Reich, über das er herrschen muss, ist insbesondere des Nachts ein eher unerfreulicher Ort. Und dem, was er zu bewachen hat, geht es nicht viel besser: seit Jahrzehnten ist jenes stadtbekannte Wahrzeichen des Architektenehepaars Ralf Schüler und Ursulina Schüler - Witte, der Steglitzer Bierpinsel, leerstehend und ungenutzt.
| Diese charmante Schönheit dürfte wohl der Traum so manchen Schülers sein, der hier in Kreuzberg zum Unterricht geht. Die gesprühte junge Dame stammt von Rosco - Graffiti.
Die Ergebnisse dieser Art der Zusammenarbeit sind oft bemerkenswert. Sie schaffen mitunter etwas, das weit über den Zweck dessen hinausgeht, den der Auftraggeber im Sinn hatte: Ein Kunstwerk, das nicht nur irgendeine hässliche Wand verschönert, sondern zu etwas Eigenständigem geworden ist, das Passanten plötzlich innehalten lässt oder Kunstinteressierte nun gezielt aufsuchen, um es zu betrachten. Und auch so mancher Tourist ist dankbar dafür, dass er als Motiv mit seiner Kamera etwas festhalten kann, mit dem er nicht gerechnet hat.
Doch auch bei den Illegalen Macher dieser Kunstform gibt es bemerkenswerte Ausnahmen, man denke an Künstler wie Bansky, die durch Graffiti in künstlerisch hochwertiger Art auch allgemeingültige politische Aussagen in den öffentlich sichtbaren Straßenraum transportieren - und ein eigenes Sujet schufen, das, wie die Kunst anderer bemerkenswerter Graffiti-Künstler, längst Einzug in Galerien und Kunsthallen gefunden hat.
| Eine langsam verblassende Schönheit. Alles ist endlich. Sicher auch die Gedanken, die durch X und O symbolisiert werden. Denn "O" steht in der Sprache der Graffiti - Künstler für "Umarmung", "X" für "Küssen". Der Tag selbst nennt sich XOXO. Also, wenn sie derartiges sehen, dann denken Sie bitte an jemanden Nettes...