Bröckelnde Mauern


aus dem Jahre 1890

Bröckelnde Mauern

aus dem Jahre 1890

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Vorgeschichte1

1 | Einleitung. Bröckelnde Mauern...

Bild und Text: Lutz Röhrig 

Mitte der 1970er Jahre riss es uns in unserer Wohnung am Planufer regelrecht von den Stühlen – ein auf Arbeiten im und am Wasser spezialisiertes Unternehmen war seinerzeit beauftragt worden, die Ufermauer des Landwehrkanals am Planufer im Abschnitt zwischen der Kottbusser- und Admiralbrücke komplett abzureißen und durch Stahlspundwände mit vorgehangenen Betonplatten zu ersetzen. Viel mehr als die gewaltige Lärm- und Druckentwicklung der damals üblichen Rammen entsetzte mich jedoch die damit verbundene vollständige Beseitigung der historischen alten Ufermauern und Treppenanlagen (samt Ausstieg für die an der Kottbusser Brücke beheimatete Reederei) sowie des Ziergeländers. Das Ganze zudem noch vor dem in diesen Abschnitt vollständig erhaltenen Altbauten des Planufers mit ihren Stuckfassaden. Größer konnte der Kontrast nicht sein.


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Wenn auch die radikale Umgestaltung der Ufermauern dem damaligen Denken in der Stadtplanung entsprach, welches nur wenig Rücksicht auf historische Belange nahm, so hatte diese Maßnahme natürlich einen tieferen Grund: bereits damals war klar, dass die alten Granit- und Sandsteinmauern, wie sie noch häufig am Landwehrkanal anzutreffen sind, nur noch wenig belastbar sind. Ein Problem, das bis heute fortbesteht, wie der Einsturz der Ufermauer 2007 am Maybachufer im Bereich der damaligen Schiffsanlegestelle Kottbusser Brücke zeigte.

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| Auch nahe dem Halleschen Tor wie hier am Tempelhofer Ufer zwischen Großbeeren- und Mehringbrücke wurde die alte Sandsteinmauer komplett abgerissen und durch Stahlspundwände mit vorgehangenen Betonplatten ersetzt. Der sich zur Wasseroberfläche neigende Pflanzenbewuchs mag täuschen, aber die moderne Uferkonstruktion hat den Charme jenes Kanalabschnittes insbesondere vor den zum Teil denkmalgeschützten Häusern (wie hier dem hochaufragenden Palais Eger) nicht gerade eben verbessert. Die Verkleidung der Spundwände reicht nicht bis zum Wasserspiegel, die Stahlspundwände mit ihrem braunen Rostton sind dadurch sichtbar. Auch werden die Betonplatten langsam unansehnlich, eine "Patina" wie bei den historischen Mauern entsteht dabei nicht. Zwar konnte man durch die Reduzierung des Gehwegs und der nur noch geringen Höhe der Ufermauern Platz für eine Bepflanzung schaffen, doch wurde das von der Mauerkrone an die Straßenseite versetzte Geländer dabei zu Gunsten eines modernen ersetzt.


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| Die innere Aufbau der alten Ufermauern des Landwehrkanals aus dem Jahre 1890 in einer schematischen Ansicht. Zunächst waren hölzerne Spundwände in die Kanalsohle gerammt worden, deren Zwischenräume mit Kalkstein bzw. Beton mit einem Beischlag aus Ziegelschotter verfüllt worden sind. Als Deckschicht dieser Unterkonstruktion wurde eine Lage aus geneigt angeordneten Ziegelsteinen gemauert, auf welcher die erste Reihe aus hartem Granitquadern (wegen des Wellenschlags) aufgelegt wurde. Alle weiteren Reihen bestehen aus Sandsteinquadern. Die obersten Decksteine hingegen, welche auch das Geländer aufnehmen, bestehen wieder aus hartem Granit. 

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2 | Untersuchungen und Ursachen

Seither - nach monatelangen Vollsperrungen des Landwehrkanals und der Einrichtung eines bis heute andauernden „Einbahnstraßen-Verkehrs“ vom Ober- in Richtung Unterwasser - fanden aufwendige Untersuchungen auch des Unterwasserbereiches der Stützmauern statt, um geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Standsicherheit der alten Stützmauern festzulegen. Denn längst ist man von einem kompletten, das Stadtbild nachhaltig beeinträchtigen modernen Ersatz der im Übrigen auch unter Denkmalschutz stehenden Ufermauern abgekommen.

 

Dabei stellte es sich heraus, dass die alten, unterhalb der Wasseroberfläche liegenden Holzspundwände, welche die Mauern tragen, oft morsch sind, sofern sie nicht stellenweise gar ganz fehlen. Ebenfalls oft nicht mehr vorhanden ist die sich den hölzernen Spundwänden anschließende Deckschicht aus Ziegelsteinen, auf der die erste, aus harten Granitsteinen bestehende Reihe der Ufernmauern ruht. Die weiteren Reihen aus Sandstein liegen auf lockerem Magerbeton auf, der im Laufe der letzten 130 Jahre ebenfalls porös geworden ist. 

 

Zudem kommt, dass der Landwehrkanal bauzeitlich eine Tiefe von ca. 1,75 m besaß – für sog. „Berliner Maßkähne“ völlig ausreichend. Die Uferstützmauern waren hierfür entsprechend ausgelegt. Der moderne Schiffsverkehr mit seinen leistungsstarken Propellerantrieben sorgte im Laufe der Jahrzehnte jedoch dafür, dass sich diese Tiefe auf 2,80 m vergrößerte – was zu einer abschnittsweisen Unterspülung der Stützmauern führte


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3 | Sicherung der alten Ufermauern

Zur Stabilisierung der alten Ufermauern wurden etwa im Unterwasserbereich Spundwände gerammt, deren Zwischenräume mit Steinpacklagen verfüllt wurden. Auch musste die gesamte Fläche der alten Mauern neu verfugt werden. Stellenweise kommt man jedoch nicht um eine sorgfältige Demontage der Ufermauern mit anschließenden Neuaufbau herum. 

 

Eines der Unternehmen, das mit der sorgfältigen Rekonstruktion der Ufermauern beauftragt wurde, ist die „Wasser-und Kulturbau GmbH Hönow“, die auf meinen Fotos ihre Arbeit am Landwehrkanal verrichtet.Das Unternehmen betreibt im Auftrag des Senats zudem auch das Brückenprüfschiff "Argusauge".

 

Hoffen wir, dass nach dem Abschluss der Arbeiten auch der Bereich zwischen den (alten) Widerlagern der ehem. und neuen Potsdamer Brücke sowie der Georg-C.-Marshall-Brücke bald wieder in alter Schönheit erstrahlt.

 

Und vielleicht werden bei diesen Arbeiten eines Tages auch, es wäre zu hoffen, die provisorischen Behelfsgeländer der Nachkriegsjahre durch historische Repliken ersetzt. Denn die alten Geländerformen sind - insbesondere bei einem eingetragenen Baudenkmal wie dem Landwehrkanal - schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Gesamteneindrucks.

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| An den alten, sich leider zum Teil in kritischen Zustand befindlichen Ufermauern des Landwehrkanals lässt sich zugleich auch Stadtgeschichte ablesen.  So befindet sich unmittelbar neben der heutigen Potsdamer Brücke ein rot geklinkerter Bereich mit alten Widerlagerköpfen. Einst querte hier die alte Potsdamer Brücke den Landwehrkanal. Die veränderte Lage der heutigen Potsdamer Brücke, die in etwa der Lage der alten Viktoriabrücke entspricht, ist auf den Plänen Scharouns zum Bau des Kulturforums zurückzuführen. Leider blieb auf der im Bild rechten Seite das alte Geländer nicht mehr erhalten, das durch ein Nachkriegsprovisorium ersetzt worden ist.


| Die Granit-Decksteine werden am Pfosten von der aus Sandsteinplatten bestehenden Kanalmauer durch die Fa. "Wasser- und Kulturbau GmbH Hönow" abgehoben, um Arbeiten an den Hinterwandbereichen ausführen zu können.

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| Besonders kritische Bereiche sind mit einer Metallkonstruktion gesichert worden. Am Schiefstand des Geländers links ist zu erkennen, wie dramatisch der Zustand der alten Ufermauern teilweise ist. Daher wurde der Ufergehweg schon vor längerer Zeit gesperrt.


| In Vorbereitung der Arbeiten an der Kanalmauer mussten die Bäume durch an Betonklötzen befestigte Zuggurte gesichert werden. Gut zu sehen ist hier das irgendwann aus der Nachkriegszeit stammende Geländer. Das aufwendige historische Ufergeländer der alten Potsdamer Brücke blieb zumindest zum Teil auf der gegenüberliegenden Seite erhalten.