ARCHITEKTUR
Berlin bekommt sein Herz zurück
Das Berliner Schloss
Berlin bekommt sein altes Herz zurück
Inhalt und Kapitelübersicht
Legende1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Seit 2010 wird mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses die wohl schlimmste Wunde im historischen Zentrum Berlins geschlossen. Dem vorausgegangen war ein jahrzehntelanges zähes Ringen um die künftige Gestaltung des damals noch vom "Palast der Republik" besetzten Ortes, das erst mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses vom 4. Juli 2002 und dem 2008 beendeten Architektenwettbewerb sein Ende fand.
Sicher wäre die Entscheidung über den Wiederaufbau ganz anders ausgefallen, hätte es Wilhelm von Boddien und den von ihm geleiteten Förderverein Berliner Stadtschloss e. V. nicht gegeben. Zu stark waren die Meinungen auf einem Erhalt des Palastes der Republik bzw. der Schaffung eines völligen Neubaus fixiert, als das man einer Rekonstruktion des alten Stadtschlosses auch nur entfernt in Erwägung gezogen hätte.
Die Wende in der Diskussion brachte die 1993 / 94 auf Betreiben Wilhelm von Boddiens aufgebaute Stadtschlosskulisse, die schlagartig klar werden ließ, was an diesem historischen Ort nun auch nach Meinung vieler Berliner wirklich fehlte. Das Thema "Stadtschloss" war fortan eine ernstzunehmende Alternative zu den bisherigen Ideen. Es sollte allerdings noch etliche Jahre dauern, bis der Traum einer Stadtschlossrekonstruktion vor allem Dank des weiteren Einsatzes Wilhelm von Boddiens, welcher hierin eine Lebensaufgabe sah, Wirklichkeit werden konnte.
Grundsteinlegung2
Die nachfolgenden Bilder zeigen die beginnenden Fundamentierungsarbeiten. Berlin erhält sein städtebauliches Herz zurück.
Das Schloss wird wieder zur Klammer, welche die Straße Unter den Linden ihren Abschluss gibt und zudem Dom und Marstall wieder miteinander verbindet.
| Bodenaushub im April 2013: Letzte Reste der tief im Boden verankerten Stahlkonstruktion des "Palastes der Republik". Im Hintergrund die Friedrichswerdersche Kirche von Schinkel.
Wilhelm3
Am Sonntag, dem 12. Juni 2016, konnte sich anlässlich einer Baustellenbesichtigung jeder Interessierte von der Stein gewordenen Vision Wilhelm von Boddiens überzeugen. Freudig kam er auch während des Rundgangs auf meine charmante Begleiterin und mich zu. Bescheiden antwortete er auf meine Frage, was ihn all die Jahre an dem Projekt des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses festhalten ließ, dass es vor allem die Leidenschaft sei.
Ohne Leidenschaft an der Sache wäre derartiges undenkbar gewesen. Und besonders wichtig waren für ihn in dieser Zeit seine Familie und insbesondere seine Frau, die ihn auch in schwierigen Situationen unterstützte. Das Gespräch vertiefte sich, bald ging es dann auch neben seiner Vision für Berlins Mitte um private Themen wie z. B Kindererziehung. Hier glänzte Wilhelm von Boddien mit seiner reichen Erfahrung - bei mittlerweile 14 Enkelkindern auch kein Wunder...
Doch scheint auch die Rekonstruktion des Berliner Schlosses gelungen so bleibt dennoch viel für Wilhelm von Boddien und seinem "Förderverein Berliner Stadtschloss e. V." zu tun. Aktuell steht die Wiederherstellung der historischen Platzanlagen rund um das Berliner Schloss in der Diskussion (siehe Kapitel V.). Mehr über die weiteren Projekte auf der Seite des Fördervereins Berliner Schloss.
| ...und meiner Begleitung.
Stadtlandschaft4
Eine echte städtebauliche Alternative zum Berliner Schloss im Umfeld zwischen Dom, Bauakademie und Forum Fridericianum bestand im Grunde nie wirklich. Ein hypermoderner Bau an dieser Stelle? Oder der Erhalt des wegen seiner Asbestbelastung abgetragenen "Palastes der Republik"? Ganz unabhängig von den Erinnerungen an all die schönen Stunden, die viele im Palast verbracht haben, architektonisch war er - Hand aufs Herz - nie wirklich zum historischen Umfeld passend.
Die nun fast fertig gestellte Rekonstruktion des Berliner Schlosses führt eindrücklich jedermann vor Augen, wie gut sich der Bau in die tradierte wie auch neu erschaffene Stadtlandschaft einfügt.
Humboldt5
Das Humboldt-Forum verschafft den Museen für außereuropäische Kunst endlich die Geltung, die diese international in Fachkreisen viel bewunderte Sammlung verdient. Zuvor im aus touristischer Sicht weitab gelegenen Dahlem untergebracht, können die Sammlungen nun mitten im Herzen Berlins präsentiert werden.
Zusammen mit der benachbarten Museumsinsel wird so einer der größten zusammenhängenden Museumskomplexe Europas entstehen, welcher in seinen Dimensionen und seiner Bedeutung allenfalls mit dem Louvre in Paris oder dem British Museum in London vergleichbar ist.
Umfeld6
Einst war das Schloss von einer Reihe wohlgestalteter Grünanlagen und Plätze umgeben. Diese waren zugleich auch Aufstellungsort künstlerisch wertvoller Standbilder. Mit der Sprengung des Stadtschlosses verschwanden diese Anlagen, deren Skulpturen nun oftmals einen anderen Aufstellungsort erhielten.
Dies trifft auch auf den ehem. Schlossplatz und den hier bis 1951 befindlichen Neptunbrunnen zu. Die Idee, zwischen Schloss und dem Neuen Marstall einen Monumentalbrunnen zu errichten, geht auf Karl-Friedrich-Schinkel zurück. Ausgeführt wurde diese jedoch erst durch Reinhold Begas, der das Thema einer zentralen Brunnenanlage nach einer Italienreise aufgriff und über mehrere Entwurfsschritte bis 1888 umsetzte. Die Brunnenanlage gehört zu den bedeutendsten Großplastiken der Welt.
Den Zweiten Weltkrieg überstand der 1942 eigemauerte Brunnen unbeschadet. Erst nach seiner Freilegung 1946 verursachten Buntmetalldiebe größere Schäden. Nach der Sprengung des Schlosses wurde der Brunnen 1951 eingelagert. Seine erneute Wiederaufstellung erfolgte 1969, nun auf dem von jeglicher Bebauung abgeräumten Gelände zwischen dem Roten Rathaus und der Marienkirche.
Eine Umsetzung des Neptunbrunnens zurück an einen neu zu errichtenden Schlossplatz lehnt der Berliner Senat derzeit ab. Der Bund hingegen möchte durch sein Angebot, die Kosten für eine Umsetzung der Brunnenanlage zu übernehmen, hier einen Sinneswandel herbeiführen. Hoffen wir, dass dieser künstlerisch so überragende Brunnen bald wieder an seinem ursprünglichen Standort, auf dem er gestalterisch wie proportional abgestimmt ist, zurückkehren wird.
Oranier7
Wiedererstehen sollten neben dem Schlossplatz auch die einst gerühmten, unter Friedrich Wilhelm IV. entstandenen Schlossterrassen. Diese waren flankiert von fünf "Oranier - Standbildern" sowie den beiden vor dem Zugang zu Portal IV. angeordneten Figurengruppen der "Rossebändiger".
Von den ursprünglich fünf "Oranier- Standbildern" überlebte lediglich das des Prinzen Moritz von Oranien und Grafen zu Nassaus (Befreier der Niederlande von den Spaniern, links und unten auf dem schwarz-weiß Foto). Es wurde nach der Wiedervereinigung in Berlin Buch aufgefunden und 2016 durch die Preußische Stiftung Schlösser und Gärten restauriert.
In diesem Zustand war es auch vor der Info - Box zur Widerherstellung des Berliner Stadtschlosses zu sehen. Von den übrigen Standbildern existieren drei zeitgenössische Abgüsse. Eine Figur gilt als endgültig verloren. Eine Widerherstellung der Schlossterrassen wäre ebenso wünschenswert, wie die Replizierung der vier zerstörten Standbilder.
| Standbild des Moritz von Oranien und die beiden Rossbändiger am historischen Standort auf den Schlossbalustraden.
Kleistpark8
Die beiden Skulpturengruppen der "Rossebändiger" (auf dem schwarz-weiß Foto oben im Hintergrund) sind ein Geschenk Kaiser Nikolaus I. von Russland an seinen Schwager Friedrich Wilhelm IV.
Sie sind verkleinerte, an ihren Berliner Aufstellungsort angepasste Nachbildungen zweier kolossaler Bronzefiguren der Anitschkoff- Brücke auf dem Newskiprospekt in St. Petersburg. Nach der Sprengung des Stadtschlosses erfolgte 1950 Ihre Versetzung in den Kleistpark an der Potsdamer Straße, dem damaligen Sitz des Alliierten Kontrollrates.
Neben der Widerherstellung der Schlossterrassen sollte auch eine Rücküberführung der beiden bezugslos im Kleistpark stehenden, im Format jedoch perfekt auf den Standort am Portal IV. des Stadtschlosses abgestimmten Figurengruppen vorgenommen werden.
Unterstützung findet der Gedanke einer Rekonstruktion der historischen Platzanalgen beim Initiator des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, Wilhelm von Boddien, und seinem "Förderverein Berliner Stadtschloss e. V."
Fotos9