Der 9. November 1989...


...wie habe ich ihn erlebt?

Der 9. November 1989...

...wie habe ich ihn erlebt?

Der 9. November 1989 - Alltäglichkeiten an einem Schicksalstag...

Text und Bild: Lutz Röhrig

Wie die Zeit vergeht. Nun ist es schon wieder viele Jahrzehnte her, dass ich auf Wunsch meines damaligen Arbeitgebers im Sommern 1989 von Berlin nach München versetzt worden bin. Die vom Arbeitgeber besorgte Wohnung lag in einem Münchner Vorort fernab des Zentrums, das nun zu meinem neuen Betätigungsfeld werden sollte.  


Möchten Sie regelmäßig über alle Neuigkeiten auf zeit-fuer-berlin.de informiert werden?
Dann melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an.

Eigentlich hätte ich an diesem schicksalhaften 9. November 1989 gar nicht dort sein wollen. Mein Geburtstag, den ich lieber in Berlin gefeiert hätte, lag wenige Tage zurück, aber der zuvor beantragte Urlaub war nicht genehmigt worden. "Wir haben ein paar Sonderverkaufstage in dieser Zeit", so erklärte man mir, "da brachen wir unsere Top Verkäufer". Nichts zu machen. Irgendwann danach stieg ich nach Dienstschluss in jenem einsamen Münchner Vorort aus der S-Bahn, der aufgrund meiner damaligen Wohnung noch für einige Zeit mein neues Zuhause bleiben würde.  

Berliner Mauer unterbrochene S - Bahngleise

| Durch die im Hintergrund zu sehende Mauer unterbrochene S - Bahngleise (nahe dem Bahnhof Köllnische Heide), deren Stromschienenhalterungen ohne Funktion über die Schwellen ragen.  

farbe1

Berliner Mauer Grenze Sperranlagen Güterbahnhof Treptow

| Einfahrt zum hart an der Grenze, aber noch auf westlicher Seite liegenden Güterbahnhof Treptow. Der Bahnhof war von östlicher Seite nur durch ein Tor zu erreichen. Die Züge wurden über die mit Lampen versehene "Beschaubrücke" auch von oben kontrolliert.  

farbe0

Es war Dunkel und ziemlich kühl, ein typischer Novembertag eben. Ich ging vom S-Bahnhof zu meinem Auto, um die letzte kurze Strecke zu meiner Wohnung zu fahren. Einmal kurz den Zündschlüssel gedreht - doch nichts passierte. Die Batterie war leer. Ich sah mich suchend um - nirgends ein Mensch oder Fahrzeug an dieser des Abends einsamen S-Bahnstation zu sehen.

Es war Dunkel und ziemlich kühl, ein typischer Novembertag eben. Ich ging vom S-Bahnhof zu meinem Auto, um die letzte kurze Strecke zu meiner Wohnung zu fahren. Einmal kurz den Zündschlüssel gedreht - doch nichts passierte. Die Batterie war leer. Ich sah mich suchend um - nirgends ein Mensch oder Fahrzeug an dieser des Abends einsamen S-Bahnstation zu sehen.

 

Plötzlich näherte sich von einem Feldweg her ein Werksfahrzeug der Fa. Siemens. Kurzerhand hielt ich das Fahrzeug an und bat um Starthilfe. Der Fahrer jenes Wagens stieg, unter Zurücklassung einer Dame, aus seinem Wagen aus. Da ich ein Batteriestartkabel stets dabei hatte, war es nur eine Sache von Minuten, bis mein Wagen wieder ansprang. Plötzlich hielt jener Herr inne. Sein Blick fixierte mein Nummernschild. Sie kommen aus Berlin? Ich bestätigte dies etwas verwundert. "Sie wissen schon, das die Mauer offen ist?" Ungläubiges Kopfschütteln. Wer weis, was jener freundliche Herr da gehört haben will, dachte ich, zumal er auch nichts weiter seinen Worten hinzufügte und sich kommentarlos wieder der Dame im Wagen zuwendete.


Zuhause in meiner Münchner Wohnung angekommen schaltete ich - eher aus Gewohnheit denn in bestimmter Absicht - den Fernseher an. Das Szenario jenes zufällig gewählten Senders zeigte eine offenbar emotional bewegte Menschenmenge und deren Tränen in den Augen. Einige umarmten sich.

 

Außer lautem Schluchzen war keine Stimme zu hören, kein Kommentar - nur beredtes Schweigen. Gedanken gingen mir durch den Kopf: irgendwo muss eine furchtbare Katastrophe passiert sein...

 

Langsam löste sich die Fernsehkamera von den Menschen und machte einen weitläufigen Schwenk. Zu sehen war nun zu meiner Verblüffung das Brandenburger Tor mit der Mauer davor - auf der jetzt, noch am Tag zuvor völlig undenkbar, Menschen standen und jubelten. Die Worte jenes freundlichen Münchner Autofahrers fielen mir ein.  Langsam begriff ich - und war den Tränen nahe, als bereits mein Telefon klingelte. Ob ich denn schon gehört hätte, das... 

| Einige Zeit später durfte ich dann endlich meinen Urlaub nehmen. Meine Heimatstadt Berlin, in der noch die Mauer stand als ich ging, erlebte ich nun als einen völlig anderen Ort. Als West-Berliner war für mich zuvor die heimatliche Kreuzberger Welt am Schlesischen Busch zu Ende gewesen. Nun konnte man - mit einem reduziertem Maß an Kontrolle - auch die andere Seite der Mauer erkunden... 

farbe1

Ganz ohne Kontrolle ging es in jenen Tagen noch nicht. Ein Offizier der "Grenztruppen der DDR mit Klappkoffer" war stets präsent.

| Ganz ohne Kontrolle ging es in jenen Tagen noch nicht. Ein Offizier der "Grenztruppen der DDR mit Klappkoffer" war stets präsent.

Zur Zeit der Berliner Mauer war dies ein symbolhafter Ort gewesen: Alte Straßenbahngleise, die auf westlicher Seite an der Köthener Straße hart an der Mauer endeten.

| Zur Zeit der Berliner Mauer war dies ein symbolhafter Ort gewesen: Alte Straßenbahngleise, die auf westlicher Seite an der Köthener Straße hart an der Mauer endeten.  

farbe0
"Mauerspechte" und Souvenirjäger, egal welcher Nation, übernahmen den etwas voreiligen "Abbruch" der einst so unüberwindlichen Berliner Mauer wie hier nahe dem Potsdamer Platz.

| "Mauerspechte" und Souvenirjäger, egal welcher Nation, übernahmen den etwas voreiligen "Abbruch" der einst so unüberwindlichen Berliner Mauer wie hier nahe dem Potsdamer Platz.


Berlin Friedrichstraße Grenzübergang Uniform

| Mein Artikel Der Gang über die Grenze beschreibt den Ablauf einer "Reise in die DDR", den Aufwand, der zu betreiben war von der Beantragung bis zur Einreise und meine damaligen Emotionen. 

Berlin Wachturm Berliner Mauer Innenansicht

| Mein Bericht Ein Wachturm am Potsdamer Platz beschäftigt sich mit Innenansichten - des Wachturms wie auch der diensttuenden Grenzer. 

farbe1