Stellwerk "Tfd"
Am S - Bahnhof Attilastraße
Topanker
Vorgeschichte1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Der an sich wünschenswerte Wiederaufbau bzw. die Modernisierung von Eisenbahnstrecken in Berlin hat leider auch zu einem Verlust von zahlreichen architektonischen Zeugnissen der Eisenbahngeschichte geführt. Stellwerke, Lokschuppen oder gar ganze Bahnhofsanlagen fielen bereits der Spitzhacke zum Opfer. Ein solcher Fall ist im Zusammenhang mit dem Ausbau der Dresdener Bahn auch das markante Stellwerksgebäude „Tfd“ am Bahnhof Attilastraße.
Der Bahnhof „Mariendorf“ (ab 1992 Attilastraße) wurde 1895 eröffnet. Er ersetzte den seit 1875 bestehenden Bahnhof „Südende B. D.“ (B. D. = Berlin – Dresden, im Unterschied zur gleichnamigen Station an der Anhalter Bahn). Der Bahnhof bestand im Grunde lediglich aus einer Weiche am nördlichen Bahnhofsende, welche es ermöglichte, dass die von Berlin aus kommende eingleisige Strecke zweigleisig in Richtung Zossen weitergeführt werden konnte. Ein weiteres, an der Station jedoch in einigen Abstand vorbeilaufendes Gleis gehörte zur parallel verlaufenden, erst in Zossen abzweigenden Militäreisenbahn. In den Jahren 1910 – 1914 wurde die bis dahin ebenerdige Trasse der Dresdener Bahn auf einem Damm verlegt und das heute noch erhaltene Bahnhofsgebäude errichtet. Das Gleis der Militärbahn verblieb hingegen weiterhin bis zur Einstellung des Betriebs nach dem Ersten Weltkrieg im Planum.
| Das Stellwerk Tfd vor dem Abbruch. Da es auf Grund des nahen Verschiebebahnhofs, der Einfädelung der Dresdner Fernbahn in die Vorortbahn sowie mit der Zuführung der Ladungsverkehre zum Güterbahnhof Mariendorf umfangreiche Aufgaben zu bewältigen hatte, war es eines der größten Stellwerke an der Dresdner Bahn in Berlin.
| Zwischen dem Bahnsteig des Bahnhofs Attilastraße (vorne) und dem Stellwerk verläuft das Verbindungsgleis zur Anhalter Bahn, das damals noch von Güterzügen vom Bahnhof Marienfelde und dem Tanklageranschluss genutzt wird. Im Hintergrund der von Vodafone und Assa Abloy Sicherheitstechnik genutzte Komplex an der Attilastraße. Der Blick geht in Fahrtrichtung Priesterweg.
| Blick entlang der Bahnsteigkante über die Straßenbrücken hinweg in Fahrtrichtung Marienfelde. Unmittelbar vor dem Stellwerksgebäude verläuft das Gütergleis, das hinter den Brücken über Weichen in die S-Bahnstrecke eingefädelt wird. Das Areal ist heute angesichts der Neubaustrecke und den Lärmschutzwänden kaum mehr wiederzuerkennen.
Aufgabe2
Dem Bahnhof Mariendorf kam eine wichtige Rolle zu, da hier die aus Richtung Berlin kommende Dresdner Bahn mit ihrem Fern- und Güterverkehr in die Gleise der Vorortstrecke Richtung Zossen einmündete. Im Gegensatz zu vielen anderen Strecken, die im Laufe der Zeit getrennte Gleise für den Fern- und Vorortverkehr erhielten, blieb diese Koppelung der Verkehre auf der Dresdener Bahn bis zur Einstellung des Fernverkehrs weiter bestehen – was die heutigen Probleme bei der beabsichtigten Reaktivierung des Fernverkehrs bedingt.
Die Zusammenführung der Fern- und Vorortbahn sowie die Steuerung der hier beginnenden Ein- und Ausfahrgruppe der Dresdener Bahn in den Rangierbahnhof Tempelhof sowie der Verkehr zum ehem. Güterbahnhof Mariendorf erforderte eine Vielzahl an Weichen und Signalen, deren Steuerung zahlreiche kleinere und größere Stellwerke erforderte. Dem Stand der Technik folgend, wurde am 21. März 1926 das große Stellwerk Tfd (Telegraphische Abkürzung für: Tempelhof Dresdner) in Betrieb genommen.
Abbruch3
Längst gibt es den Rangierbahnhof Tempelhof, welcher in den Naturpark Südgelände aufgegangen ist, nicht mehr. Und auch der Güterbahnhof Mariendorf ist inzwischen zu Gunsten eines neuen Wohnviertels rückgebaut worden. Anstelle des Stellwerks verläuft heute hier hinter meterhohen Lärmschutzwänden verborgen die Hochgeschwindigkeitstrasse der Dresdner Bahn.
Der bereits nach der Wende angestrebte Wiederaufbau der Dresdener (Fern-) Bahn ist 2025, nach zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen - insbesondere in Lichtenrade - fast vollendet. Bäume wurden entlang der Trasse gefällt, Lauben abgerissen, und, leider, auch so manches architektonische Zeugnis aus der Frühzeit des Eisenbahnwesens beseitigt.
Doch anders als in der Zeit der Dampfzüge ist heute ein leistungsfähiger Fernverkehr kaum mehr über S-Bahngleise möglich - schon gar nicht im Geschwindigkeitsbereich über 160 km/h. Von dem Umstand, das ein gemeinsamer Rückleiter zwischen Gleich- und Wechselstrom technisch nicht realisierbar ist und höhere Geschwindigkeiten auch einen größeren Gleisabstand erfordern, einmal ganz angesehen.
Es musste also Platz geschaffen werden. Am 15. März 2017 war es dann schließlich auch am Bahnhof Attilastraße soweit: Ein Bagger setzte - nach 91 Jahren – dem alten Stellwerksbau ein Ende.
| Noch einmal ein Blick auf die Unterseite der direkt vor dem Eingangsbereich verlaufenden Fernbahnbrücken. Auch wenn deren Erneuerung angesichts des schlechten Zustands und der heutigen Anforderungen an den modernen Bahnverkehr eine Notwendigkeit war, so stellten sie doch mit ihren besonders ausgeformten Pfeilerköpfen, den Nietreihen und ihrer angestrebten Leichtigkeit etwas besonderes dar.