Windmühlen und Vinyl
Musikhaus Bading
Teil 1
Windmühlen
und Vinyl
Teil 1. Inhalt und Kapitelübersicht
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▮ Berlin - Zentrum der elektronischen Musik
Besuch1
1 | Besuch in einem der ältesten Musikfachgeschäfte Berlins
Bild und Text: Lutz Röhrig
Schon lange hatte ich es mir vorgenommen. Einen Besuch in einer der ältesten Musikalien – Handlungen Berlins: Das Geschäft der Familie Bading in der Neuköllner Karl-Marx- Straße 186.
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Im Mai 2017 dem Zeitpunkt meines Besuchs, war jenes tragische Ereignis am Ende des Jahres noch nicht vorhersehbar, welches die Zukunft des weithin bekannten Fachgeschäftes in Frage stellen sollte...
| Das Eckfenster des Musikhaus Bading zur Weihnachtszeit 2016. Die auffälligen Beleuchtungsträger wurden jedes Jahr in vorbereitete Halterungen gesteckt, über die auch die Stromzufuhr erfolgte. Die Beleuchtung blieb, dieser Ladenteil ist jedoch verbrannt.
Anfang2
| Karte von Böhmisch- und Deutsch Rixdorf. Zwischen den beiden nord- südlich verlaufenden Straßenzügen Bergstraße (heute Karl-Marx-Straße) und der Hermannstraße (links) liegen zahlreiche Mühlen, zu denen später u. a. auch die Jungfernmühle gehören sollte. Ganz im Süden von Deutsch - Rixdorf liegt die Badingsche Mühle
2 | Am Anfang steht eine Mühle
1737 verfügte der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. die Ansiedlung bömischer Glaubensflüchtlinge im damaligen „Richsdorff“. Hierzu hatte er das Gut gekauft, einige Ländereien von der bestehenden Siedlung Richardsdorf abgetrennt und den Flüchtlingen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Bis 1873 unterschied man daher zwischen „Deutsch- Rixdorf“ (dem alten Richardsdorf) und dem neu begründeten „Böhmisch – Rixdorf“.
Zur Versorgung der beiden Gemeinden entstanden auf den unmittelbar angrenzenden Rollbergen zwischen der heutigen Karl- Marx- Straße (damalige Bergstraße) und der Herrmannstraße eine Reihe von Windmühlen, deren erste, die 1739 auf dem Mühlenberg (zwischen Thomas- und Jonasstraße) errichtete sog. "Deutsche Windmühle" war. Die Deutsche Windmühle unterstand dem Amt Mühlenhof am Berliner Mühlendamm, welches auch den für Rixdorf geltenden Mahlzwang überwachte.
1753 holt Friedrich II. den am 11. Januar 1726 in Beetz bei Friesack geborenen Windmüller Joachim Friedrich Bading nach Rixdorf. Eine offenbar lohnende Aufforderung, denn 1754 kauft Bading für 200 Taler von der Königlich Preußischen Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer, dem das Amt Mühlenhof unterstand, die Deutsche Mühle in Rixdorf, die er bisher in Pacht hatte, und das zugehörige Müllerhäuschen.
Zusätzlich zur Kaufsumme hatte Bading einen Kanon von 130 Taler jährlich zu entrichten. Angesichts dieser für die damaligen Zeit hohen Summen lässt sich erahnen, dass das Geschäft eines Müllers in jener Zeit ein durchaus einträgliches gewesen sein muss.
Am 19. Juni 1757 war Bading zudem durch Friedrich II. eine Konzession erteilt worden, dass die „Deutschen Einwohner der Dörfer Rixdorf und Britz ihm als Mahlgäste verschrieben werden“. Den Britzern gestattete man allerdings zusätzlich die Benutzung der unweit entfernten Böhmischen Mühle. Dieser Umstand sollte Joachim Friedrich Bading, der zum Stammvater aller Neuköllner Badings werden würde, einige Jahre später in Konflikt mit dem Besitzer des Gutes Britz, Ewald Fridrich Graf von Hertzberg, bringen.
| Die Deutsche und die Böhmische Mühle in Rixdorf. Ölgemälde von J. Schönfedt, um 1860
Hertzberg3
| Graf Ewald Friedrich von Hertzberg. Gemälde von Ferdinand Collmann, 1789. Gleimhaus Halberstadt.
3 | Ein Rechtsstreit mit dem Grafen Hertzberg
Graf Ewald Friedrich von Hertzberg (1725 - 1795) war preußischer Staatsminister unter Friedrich II. sowie dessen Neffen und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. Als Leiter des Geheimen Preußischen Staatsarchivs und in seiner Funktion als Geheimer Legationsrat verfasste er 1758 das den Einmarsch Preußens in Sachsen legitimierende "Mémoire risonné".
Weithin bekannt wurde der 1763 zum Minister ernannte Graf Hertzberg durch die von ihm maßgeblich beeinflussten und geleiteten Friedensverhandlungen von Hubertusburg (Ende des Siebenjährigen Krieges 1763) und Teschen (Ende des Bayrischen Erbfolgekriegs 1779).
Bereits 1753 hatte Hertzberg das Gut Britz für seine Frau erworben, in dessen Schloß er nun lebte. Im Zuge des Ausbaus zu einem Mustergut ließ Hertzberg 1765 eine eigene Mehlbockwindmühle am heutigen Koppelweg errichten, welcher die Britzer Bauern nun ihr Getreide zu liefern hatten.
Damit verstieß er jedoch, trotz erhaltener königlicher Mühlenkonzession, gegen Badings Rechte, die dieser prompt einklagte. Aller Widerstand des Grafen Hertzberg sollte nichts helfen, auch nicht der Hinweis, das die Britzer ja auch schon zuvor neben der von Bading betriebenen Deutschen Mühle die Böhmische Mühle nutzen durften. Bading erhielt Recht. Man einigte sich jedoch dahingehend, dass die Britzer Mahlgäste weiterhin die Mühle des Grafen zu nutzen hatten, Bading jedoch einen Teil des sog. „Mühlenkanons“ in Höhe von 50 Talern für die verlorenen Britzer Mahlgäste erlassen wurde.
Trotz des Abgangs der Britzer Mahlgäste war Bading wirtschaftlich weiter auf Erfolgskurs. 1771 sah er sich in der Lage, nun auch die seiner Mühle benachbarte "Böhmische Mühle“ in Rixdorf zu übernehmen. Diese Mühle war 1734 in Mittenwalde errichtet worden, um hier eine baufällige Wassermühle zu ersetzen. 1743 bat jedoch die Gemeinde Böhmisch - Rixdorf beim König um eine eigene Mühle.
| Rittergut Britz zur Zeit des Grafen Ewald Friedrich von Hertzberg um 1860. Sammlung Duncker.
| Rittergut Britz um 1880. Sammlung Duncker.
Da zu diesem Zeitpunkt die Wassermühle in Mittenwalde wieder repariert wurde, kaufte das Amt Mühlenhof die Mühle für 700 Taler und ließ sie 1746 nach Rixdorf transportieren. 1765 erwarb die Gemeinde Böhmisch - Rixdorf die Mühle in Erbpacht für 130 Taler und errichtete auf dem Grundstück (heute Karl-Marx-Straße 165 Ecke Uthmannstraße) ein Müllerhäuschen.
Am 14. Oktober 1771 gab die Gemeinde Böhmisch - Rixdorf das Erbpachtrecht sowie das Müllerhaus für 300 Taler an Joachim Friedrich Bading weiter, welcher noch im selben Jahr die Mühle abbauen und neben der gleichfalls von ihm betriebenen Deutschen Mühle wieder aufstellen ließ.
Gebaeude4
4 | Das Gebäude Bergstraße 43 in der Karl-Marx-Straße
Joachim Friedrich Bading wohnte während jener Jahre im alten Müllerhaus der Deutschen Mühle am Mühlenweg (heute Richardplatz 10), das er einst zusammen mit der Deutschen Mühle gekauft hatte. Vielleicht ist Familienzuwachs die Intention, das Bading sich im Jahre 1779 auf dem Mühlenberg ein neues Wohnhaus errichtete. Das alte Müllerhaus am Richardplatz wird daraufhin verpachtet. Am 22. Juni 1803 stirbt Joachim Friedrich Bading. Drei Jahre später wird das Müllerhaus von Badings Witwe an den Müller Fuhrmann veräußert.
Doch die Zeit der Windmühlen geht auf Grund der immer schneller fortschreitenden Bebauung langsam ihrem Ende zu, auch wenn sich die Familie Bading noch so sehr dagegen stemmte. Als die alte Böhmische Schule an der Mühlenstraße (heute Richardstraße 97) ein neueres größeres Schulgebäude erhalten sollte, sah sich 1840 Joachim Friedrich Badings Enkel, Daniel Friedrich, genötigt, für sein Recht vor Gericht zu streiten. Der Neubau würde, so Badings Enkel, den unweit gelegenen Mühlen einen Teil des Windes entziehen. Er protestierte am 4. März 1840 offiziell beim Landrat des Kreises Teltow, dem Rixdorf damals unterstand. Doch die Klage wurde sowohl vom Landratsamt in erster, als auch von der Königl. Regierung in zweiter Instanz zurückgewiesen.
| Das markante Eckhaus an der Karl- Marx- Straße vor dem Brand. Rechts, mit hohem Giebel, das um 1900 errichtete, gleichfalls der Familie Bading gehörende Gebäude Thomasstraße 1 -3.
| Die Eckfenster an der Karl-Marx- und Thomasstraße. An den dreieckförmigen Leuchtkästen meint man den Expressionismus der 1920er Jahre ablesen zu können. Schon damals bei meinem Besuch wurden jedoch Radios und Fernseher - und damit auch der Marken SABA (Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt August Schwer Söhne GmbH aus Villingen, heute nur noch ein Markenname) und Telefunken - längst nicht mehr angeboten.
1850 veräußerte die Familie Bading den größten Teil des Mühlenareals, den Weinberg und die Wiese, für 4000 Taler dem Mühlenmeister Gottlieb Ferdinand König und dessen Ehefrau. Gottlieb Königs Sohn Heinrich erhielt 1882 ein Teil des Grundstücks mit der Böhmischen Mühle, während seine Tochter Luise Müncheberg die Deutsche Mühle mit dem restlichen Grundstück übereignet wurde. Bereits zwei Jahre später verkaufte Luise Müncheberg die Deutsche Mühle nach Sachsen, während die Böhmische Mühle von Heinrich König nach Jüterbog abgegeben wurde.
Der alte Windmühlenberg liegt inzwischen am Rande einer viel befahrenen und mittlerweile eng bebauten Straße, die den Betrieb von Windmühlen wenig lukrativ erscheinen lässt. Auch die Schmiede der Familie Bading, die von Daniel Friedrichs Sohn Heinrich Wilhelm Bading (28.3.1834 - 1.4.1912) betrieben wird, befindet sich hier auf einem nach dem Verkauf des Mühlengrundstücks noch einbehaltenen Restgrundstücks der Familie an der damaligen Straßenecke Berg- (heute Karl-Marx-Straße) und Thomasstraße. Heinrich hatte zunächst seinen Militärdienst als Kürassier absolviert, ehe er wieder in seine Geburtsstadt Rixdorf zurückkehrte und hier als Schmiedemeister tätig wurde.
Als Eigentümer ist Heinrich Wilhelm Bading auch in der "Hausbesitzer- und Hypotheken-Bank Rixdorf" vertreten, zu deren Aufsichtsratsvorsitzenden er später berufen wird. Auf dem der Schmiede benachbarten Eckgrundstück Bergstraße 13 (später 34) Ecke Thomasstraße, errichtet er das noch heute erhaltenes Wohnhaus. Verheiratet war Heinrich Wilhelm Bading mit Marie Luise Seemann.
Mit dem Bruder des Schmiedemeisters, Wilhelm August Bading (4.10.1837 - ca. 1885), tritt erstmals das Thema "Musik" als berufliche Aufgabe aus der zuvor eher handwerklich orientierten Familie hervor. Nicht nur, das Wilhelm August eine Piano-Handlung im heutigen Kreuzberg unterhielt, sondern er betrieb gemeinsam mit Heinrich Schmidt ein "Conservatorium" zur Ausbildung von Sänger- und Sängerinnen im ersten Stock des Hauses Bergstraße 34, in dem sich später einmal das Musikfachgeschäft von Erich Bading befinden sollte.
Auch dem Sohn des Klavierhändlers und Conservatorium- Betreibers, Paul August Julius Bading (22.12.1864 - 22.21904), zog es zur Musik. Als begabter Klarinettist schaffte er es bis zum "Ersten Klarinettisten" der Berliner Philharmoniker.
Der älteste Sohn des Schmiedemeisters, Heinrich Wilhelm Albert Bading (13.3.1864 - 21.4.1943) tat es seinem Cousin und seinem Onkel gleich. Auch er wurde zum "Ersten Klarinettisten" ernannt - allerdings vom ebenso renommierten Gewandhausorchester in Leipzig. Mit dem Sohn von Heinrich Wilhelm Albert Bading, Walther Bading (26.6.1899 - 1966) der als Baßklarinettist ebenfalls im Leipziger Gewandhausorchester tätig war, schließen hier soweit die Aufzeichnungen.
| Das Musikgeschäft Bading - die Postkarte zeigt das Geschäft wohl kurz nach der Eröffnung 1919 - beschränkte sich zunächst nur auf das Gebäude Karl - Marx- Str. Ecke Thomasstraße- den Räumlichkeiten also, die einst zur Eckkneipe des Vaters von Erich Bading gehörten. Nach und nach sollte das Musikgeschäft auch die Räume der Nachbargeschäfte mit einbeziehen, einschließlich derjenigen des Nachbargebäudes in der Thomasstraße (rechts), das ja gleichfalls von der Familie errichtet worden war. Ganz links das Hutgeschäft von Anny Haubner, dessen Fassaden - Reste unvermittelt bei der aktuellen Renovierung für das Synthesizer-Fachgeschäft "SchneidersLaden" wieder auftauchen sollte. Postkarte Sammlung Röhrig.
| Das Eckhaus Karl-Marx-Straße in den 1960er Jahren. Offensichtlich gab es größere Kriegsschäden, die eine Ausbesserung der Fassade unter teilweisen Verlust des Stucks notwendig machten. Postkarte Sammlung Röhrig.
Nur wenig mit Musik zu tun hatte indes der zweite Sohn des Schmiedemeisters, Hermann Albert Bading (7.2.1866 - 16.5.1936). Doch sollte gerade er dafür sorgen, das es zur Errichtung des allseits bekannten Fachgeschäftes "Musik-Bading" überhaupt kam - wenn auch nur indirekt. Denn Hermann Alberts Profession war die eines Schankwirts.
Er betrieb in dem von seinem Vater errichteten Haus eine jener typischen Berliner Eckkneipen, wie man sie bis in die Gegenwart noch hier und da findet. Mit dieser Tätigkeit stand er dem handwerklich robusten Schmiedemeister wohl am nächsten, der seine alte Schmiede auf dem an der Thomasstraße gelegenen Teil des Grundstück noch eine Zeitlang weiterbetrieb, ehe sie um 1900 durch das Wohnhaus Thomasstraße 3 der Badings ersetzt wird.
Am 14. Dezember 1889 verheiratet sich Hermann Albert mit Emma Antonie Stahl. Aus dieser Verbindung geht der Sohn Erich Otto Bading (22.11.1891 - 2.6.1952) hervor. Dieser absolviert zunächst eine Ausbildung als Opernsänger. Doch stellt er bald fest, das seine Stimme für die großen Opernhäuser dieser Welt wohl nicht ganz reichen würde.
Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem auch Erich Bading teilnehmen musste, beschloss er daher, seine Leidenschaft für Musik in anderer Weise umzusetzen. Am 1. April 1919 eröffnete er in dem markanten Eckhaus seines Vaters an Stelle der Kneipe eine Musikalienhandlung. Eine Entscheidung, die auf ein Angebot des Vaters zurückgehen soll, das er die Räume des Lokals übernehmen könne, wenn er nur gesund aus dem Krieg wieder zurückkommen würde.
Erich Bading war mit vielen Komponisten, Sängern und Sängerinnen sowie Musikern bekannt und auch bei den Neuköllnern beliebt. So hatte er etwa während der schweren Zeit des Krieges begabte Musiktalente durch Hauskonzerte, Notenspenden usw. gefördert. Bei seinem Tod 1952 säumten tausende Neuköllner den Straßenrand und gaben ihm das letzte Geleit. Noch bis zuletzt hingen Widmungen bekannter Künstler jener Zeit im Laden. Auch eine eigene Konzertagentur hatte Erich Bading betrieben. Konzertkarten konnten im Laden an einem gleichfalls vor dem Brand noch bestehenden eigenen Schalter erworben werden.
| Schaufenster an der Thomasstraße. Lediglich dieser Teil des Ladens überstand den Brand. Pläne, wenigstens hier den Verkauf weiterzuführen, zerschlugen sich jedoch offenbar...
| Das Fenster zur Karl - Marx- Straße mit dem Ladeneingang. Den Türgriff bildet ein Notenschlüssel. Auch dieser Ladenteil ist leider verbrannt. Ob aus "95" Jahren, wie über der Ladentür noch vermerkt, nun noch "100" werden?
| Das Eckhaus Karl-Marx-Straße Ende der 1970er Jahre. Längst wurde der Stuck an der Fassade entfernt und durch Rauputz ersetzt. Zur Olympiade 1972 waren Fernseher "der" Renner - und das Musikhaus hatte eine Radio- und Fernsehabteilung erhalten. Später war in diesem Teil des Geschäftes ein Jeansladen untergebracht. Postkarte Sammlung Röhrig.
Katastrophe5
| Hinter der Theke Brunhilde Schibille, Tochter des Firmengründers Erich Bading sowie im Vordergrund sitzend ihre Tochter Katrin Schibille.
5 | Ein Besuch vor der Katastrophe
An jenem Tag im Mai herrschte Regenstimmung. Neukölln zeigte sich eher von seiner trüben Seite. Auch das markante Eckhaus der Familie Bading an der Karl-Marx – Straße schien sich mit seiner im Laufe der Zeit verblassten Fassade dieser Stimmung unterzuordnen. Man spürt, dass die Jahrzehnte an dem Gebäude nicht spurlos vorübergegangen sind. Alles Zeichen eines Endpunktes einer langen Geschichte - ebenso, wie die bereits damals zum Teil verfallenen Buchstaben der Neonwerbung des Musikgeschäftes Bading an der Stirnseite des Hauses und in dessen Erdgeschoss.
Im Innern ist man sofort umfangen von der Einrichtung aus hellem Holz und den mit dunkelgrünen Dekosamt bespannten Wänden. Alles atmet den Geist einer längst vergangenen Epoche, dessen Fluidum einem sofort ein Gefühl der Behaglichkeit gewährt. Mit einem Lächeln wurden wir von Brünhilde Schibille, der Tochter des Firmengründers Erich Bading, empfangen. Überaus freundlich erklärte sie uns u. a. auch den Bestand der Notenabteilung. Wir waren begeistert.
Der zweite im Bunde bei den Badings ist Dieter Götz, welcher 1967, vor beinahe 50 Jahren, hier als Auslieferungsfahrer begann. Einst einer von 29 Angestellten, die bei den Badings tätig waren. Denn in jener Zeit verkaufte Bading auch Fernseh- und Radiogeräte, für die eine eigene Abteilung zur Verfügung stand. Auch Orgeln und Klaviere wurden im 1, OG über dem Laden angeboten. Verkauft wurden zudem Konzert- und Theaterkarten, die weiterhin von der Kundschaft an einem Schalter im Laden erworben werden konnten.
Gezeigt wurden uns auch die im Keller des Geschäfts liegenden Vorführräume, in denen es sich einst bessergestellte Herrschaften in den bequemen Kabinen bei einer Tasse Kaffee gemütlich machen konnten, um hier den aktuellen Schellack - Platten oder Grammophon-Neuheiten lauschen zu können. Moderne Schallplatten hingegen konnten sich Musikliebhaber an einer Vorführ-Theke mit Schallplattenspielern und Bakelit - Kopfhörern anhören. Es war, so Dieter Götz, seinerzeit ein glücklicher Umstand, dass einer der früheren Angestellten zuvor als Tischler tätig gewesen ist und dieses Unikat kostengünstig für die Badings herstellte. Seit den 1960er Jahren blieb dieses Möbelstück unverändert.
Man merkt, im Musikhaus Bading gibt es über jedes einzelne Möbelstück, jeden Raum eine Fülle von Geschichten zu erzählen, die Dieter Götz plastisch mittzuteilen wusste. Meine Schwester - meine Partnerin war leider verhindert - und ich waren begeistert. Ein Stück Neuköllner Historie wurde in den Berichten von Dieter Götz wieder lebendig. Man wolle, so damals Dieter Götz, noch bis ins Jahr 2019 weitermachen, da dann der 100ste Jahrestag der Gründung des Musikhaus Bading gefeiert werden könne. Ein Jubiläum jedenfalls, an dem meine Familie und ich als Autor dieser Zeilen gern teilhaben wollten. Doch es sollte anders kommen...
| Dieter Götz, gute Seele und das Gedächtnis des Musikhaus Bading hinter der einst von einem ehem. Angestellten selbst konstruierten Vorführtheke. Vorn sind weiße Bakelit - Kopfhörer zu sehen, mit denen man vor dem Kauf Schallplatten oder Kassetten abhören konnte...
Rundgang7
| Notenständer und Gitarren aller Art fand man in der Ausstellungsfläche im Bereich der Eckfenster zwischen Karl - Marx- und Thomasstraße. 2014 konnte das 95jährige Jubiläum des geschäftsbegangen werden, worauf auch die alte Ansicht des Geschäftshauses sowie das Foto des Gründerehepaares verweist.
6 | Ein Rundgang - sechs Monate vor der Katastrophe
Niemand konnte zum Zeitpunkt meines Besuches ahnen, dass dies die letzten Bilder des traditionsreichen Fachgeschäftes sein würden, die ich mit meiner Kamera machen sollte.
Noch war man voller Optimismus, wenigstens das 100-jährige feiern zu können. Und klar hatte ich die Absicht, aus Anlass des Jubiläums erneut vorbeizukommen. Doch dann kam jener schicksalshafte Silvesterabend und das Wiedersehen mit den alten Geschäftsräumen sollte, viele Jahre später in völlig anderer Weise erfolgen. Ich bin dankbar, dass ich mich damals, trotz stets knapper Zeit, dazu entschlossen habe, mit der Kamera einmal bei Bading vorbeizuschauen.
| Das Design des Leuchtkastens schließt auf die 1920er Jahre...
| Viele Details machen den Charme des Ladens aus. Ladentür mit Notenschlüssel als Griff.
| Treppenabgang zu den ehemaligen Grammophon - Vorführräumen
| Gitarren in verschiedenen Sortierungen
| Der ehemalige Durchgang zur Radioabteilung
| Blick in den Treppenabgang
| Der Durchgang zur Schallplattenabteilung
| Der ehemalige Theater- und Konzertkartenschalter