Kinomuseum Berlin
Im Alexa
Einkaufscenter
Topanker
Vorfuehrtechnik1
Bild und Text: Lutz Röhrig
Auch das Kino, das wir genau zu kennen meinen, unterliegt einem stetigen Wandel. Nicht nur inhaltlich, sondern insbesondere vor allem technisch. Denn vom Publikum kaum bemerkt, kam es hier in den letzten Jahren zu einem dramatischen Wandel, das unser bisheriges Bild von den Vorgängen in den Vorführräumen der Kinos für immer als ein Teil längst vergangener Geschichte erscheinen lässt.
Hört man das Stichwort „Kino“ so denkt man unwillkürlich an schwere Polstersessel, Popcorn und vielleicht auch an den ersten Kuss einer Jugendliebe, deren Name heute längst vergessen ist… In technischer Hinsicht jedoch fallen einem beim Begriff Kino eher knatternder Filmprojektoren, große, silberne Filmbüchsen und natürlich das Filmmaterial selbst mit seinen rechteckigen Perforierungen an den Bildrändern ein.
Doch mittlerweile ist dieses scheinbar untrennbar mit dem Begriff Kino verbundene "Zubehör" von den meisten eher unbemerkt fast vollständig aus den Projektionsräumen der meisten großen Lichtspieltheater verschwunden. Denn längst hat auch hier die Digitalisierung Einzug gehalten.
Analoge Projektoren werden nicht mehr hergestellt, nur noch selten wird hinter den Kulissen mit klassischem Filmmaterial auf Filmtellern gearbeitet. Stattdessen werden moderne Filmproduktionen einfach in die Server der Kinos über Standleitung, per Satellit überspielt oder per Festplatte ausgeliefert. Damit entfällt zugleich aber auch die Tätigkeit eines spezialisierten Vorführers, der in der Lage ist, die komplexen analogen Projektoren einzustellen und im Havariefall einzuschreiten.
Auch auf die Postproduktion hat die Digitalisierung erhebliche Auswirkungen: so kann etwa auf die Herstellung der zahlreichen analogen Filmkopien, die beim Start eines Films in vielen Kinos zur gleichen Zeit bereitliegen müssen, verzichtet werden. Aus diesem Grund meldeten 2013 auch die seit über 100 Jahren bestehenden legendären Neuköllner Geyer-Werke, in denen neben deutschen Filmen wie „Lola rennt“ auch zahlreiche Hollywoodproduktionen wie etwa die Matrix- Trilogie kopiert wurden, Konkurs an. Tom Tykwer, Regisseur u. a. von „Lola rennt" und "Babylon - Berlin" (zusammen mit Achim von Borries und Henk Handloegten), ließ dort in Hommage an die berühmten Geyer-Werke "Kommissar Rath" aus der Fernsehserie "Babylon Berlin" ermitteln.
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Das klassische analoge Kino gehört somit zu einer gerade untergegangenen Epoche. Umso wichtiger ist es, dass die bisherige Vorführtechnik wenigstens museal erhalten und wenn möglich auch erlebbar wird und bleibt. Denn nur im Rückgriff auf das Bisherige lässt sich die Qualität des Neuen bewerten – und gerade die ersten digitalen Projektoren entsprachen keineswegs der Güte und Abbildungsqualität moderner analoger Projektoren. In Berlin gibt es nur zwei Orte, an denen man sich dem Erhalt alter Kinotechnik widmet – eher als kleinerer Teilbereich im „Museum für Film und Fernsehen“ oder hoch spezialisiert im „Kinomuseum Berlin“ im Einkaufszentrums „Alexa“ am Alexanderplatz.
Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich der „Verein Kinomuseum Berlin e. V.“ unter Leitung des Vorstandsmitgliedes und Historikers Jean-Pierre Gutzeit mit dem Erhalt und der Präsentation analoger Kinotechnik. Seit dem 19. Juni 2019 ist das Museum in der 2. Etage des Alexa Shopping Centers am Alexanderplatz ansässig. Hier kann jeder spontan vorbeikommen, um sich unentgeltlich auf rund 90 Quadratmetern über das Thema „Analoges Kino“ zu informieren – Anfassen der Exponate und Mitmachen durchaus erwünscht.
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Während meines Besuchs des Kinomuseums führte mich dessen Gründer und Leiter Jean-Pierre Gutzeit durch die umfangreiche Sammlung. Kenntnisreich erklärte er mir die Funktionen der ausgestellten Projektoren, die beileibe nicht nur Museumsstücke, sondern teils auch hochmoderne Digitalgeräte, angeschafft für einen späteren eigenen Kinobetrieb sind. Darüber hinaus stellte er mir seine umfangreiche Fotogalerie ehemaliger Kinos ab dem Jahr 1895 vor, die sich an der Wand des Kinomuseums befindet. Hinweise gab es zudem auf die rund 150.000 Filmplakate und der umfangreichen Literatursammlung des Museums, anhand der er auch einige meiner Fragen hinsichtlich ehem. Kreuzberger Lichtspielhäuser beantwortete. Es war ein sehr informativer Rundgang, an dessen Ende er noch eine Bitte an die Leser meines Artikels äußerte:
Um die Filmtheater-Ausstellungen noch breitflächiger zu präsentieren und die seltene Projektionsanlage für 35/70mm Filme aus dem ehemaligen Royal Palast im Europacenter (welcher über die damals größte, gebogene Panoramabildwand der Welt verfügte) wieder aufzubauen und regelmäßig Filmklassiker authentisch zu präsentieren, sucht der „Verein Kinomuseum Berlin e. V.“ eine neue größere Räumlichkeit.
Die neuen Räume sollten mindestens eine Größe von rund 200 Quadratmetern besitzen und bei der Mitkalkulation den ehrenamtlichen Status des Kinomuseums berücksichtigen. Zudem freut man sich auch über neue Mitglieder, die an dem Projekt aktiv mitarbeiten möchten oder dieses in anderer Weise, z. B. finanziell, unterstützen."
„Vielleicht“, so Gutzeit, „ergibt findet sich unter den Lesern des Artikels jemand, der eine größerer Kelleranlage mit hoher Decke oder vielleicht einen offiziellen Veranstaltungsort mit Nebenräumen in Berlin besitzt.“ Ich hoffe sehr, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Verdient hätte es die wirklich bemerkenswerte und vor allem sehr umfangreiche Sammlung des Kinomuseums in jedem Fall.
Wer mit dem Kinomuseum und Herrn Gutzeit Kontakt aufnehmen möchte, kann dies gern über mich tun.