Gisela Getty
in Weissensee
Gisela Getty's Fotoausstellung "Ashes to Rishikesh" im
Ryan Mendoza Studio
Bild und Text: Lutz Röhrig
Kunst bewegt uns Menschen emotional, öffnet das Bewusstsein für Themen, denen wir uns sonst verschließen. Setzt man dies als Maßstab an, so gehört die Ausstellung „Ashes to Rishikesh“ der Fotografin Gisela Getty (Kurator Joachim Bosse) sicher zu den wichtigsten, aber auch den thematisch schwierigsten der „Berliner Art Week 2025“.
Möchte man das Ende des Lebens verstehen, so muss man an dessen Anfang gehen. Die Fotografin Gisela Getty, 1974 bis 1993 verheiratet mit dem Milliardärs-Erben Paul Getty III, gehörte mit ihrer Zwillingsschwester Jutta Winkelmann zu den Ikonen der 68er Bewegung. Einer Zeit, die geprägt war von sexuellen Experimenten, Drogen und dem Abstreifen gesellschaftlicher, längst als überholt empfundener Normen. Es entstanden neue Formen des Zusammenlebens, wie sie in der zunächst in Berlin und später in München ansässigen „Kommune 1“ oder dem Münchner „Harem“ erprobt wurden. Dementsprechend gehörte Uschi Obermaier und vor allem Rainer Langhans zu den gemeinsamen Wegbegleitern der beiden Zwillingsschwestern, deren Lebensweg am 3. April 1949 in Kassel begann.
| Gisela Getty war zusammen mit ihrer 2017 verstorbenen Zwillingsschwester Jutta Winkelmann eine der Ikonen der 68er Bewegung. Sie war in zweiter Ehe mit dem Berliner Schauspieler Ralf Zacher sowie in dritter Ehe mit dem amerikanischen Milliardär John Paul Getty III verheiratet. Sie gehörte zum Umkreis der Kommune 1 und war Mitbewohnerin des "Harem" in München. Mit Rainer Langhans verbindet sie bis heute eine tiefe Freundschaft.
Gisela und Jutta Schmidt besuchten die Waldorfschule in Kassel und studierten Grafik, Film und Fotografie an der Kasseler Kunstakademie. 1968 gründeten Gisela und Jutta zusammen mit Gerhard Büttenbender das Kasseler Filmkollektiv. Mit Gerhard Büttenbender war Gisela 1971 - 1972 verheiratet.
Da Gisela wie auch ihre Schwester der 68er Bewegung angehörten, zog Gisela 1972, fasziniert von Rainer Langhans, nach Berlin, wo sie mit Ralf Zacher bekannt wurde. Aus der Ehe mit Zacher stammt Ihre Tochter, die Schauspielerin und Produzentin Anna Zacher (nach Adoption Anna Getty). Ihm folgte sie, begleitet von ihrer Schwester, nach Rom, wo er ein Engagement bekommen hatte. Gisela lernte hier 1973 John Paul Getty III kennen, der wenig später zur Erpressung eines Lösegeldes von der italienischen Ndrangheta entführt wurde. Kurzzeitig standen Gisela und Jutta unter Verdacht, hieran beteiligt gewesen zu sein. Da sich John Paul Gettys Großvater, Paul Getty, weigerte, das geforderte Lösegeld zu zahlen, wurden ihm von den Entführern, um der Forderung Nachdruck zu verleihen, ein Ohr abgeschnitten. 1974 heiratete Gisela John Paul Getty mit dem Sie ihren Sohn Balthazar Getty bekam. 1980 kam es jedoch zur Trennung, 1981 zog Gisela nach München. Die Ehe mit Getty wurde 1993 geschieden.
In München hatte Jutta Winkelmann 1976 zusammen mit Rainer Langhans, der Fotografin Anna Werner und dem Fotomodell Brigitte Streubel eine eher spirituell ausgerichtete Lebensgemeinschaft gegründet, die von den Medien als „Harem“ bezeichnet wurde und dem sich 1991 auch Gisela Getty anschloss. Die dortige Lebensweise war vom Geist der 68 Bewegung geprägt, die auf der Suche nach einem anderen Lebensgefühl auch im Tod und Sterben nicht ein Ende, sondern den Beginn von etwas Neuem sahen. Dementsprechend wurde sich in der Kommune auch auf den Tod meditativ vorbereitet.
Eine besondere Begegnung der beiden Schwestern war die mit dem Harvard-Dozenten Timothy Leary, der sich zunächst mit der Erforschung von Psychodelischen Drogen, in den 1990er Jahren aber verstärkt mit dem Tabuthema „Tod“ beschäftigt hatte. 1994, als Leary von seinem nahen Tod erfahren hatte, begleiteten Gisela und Jutta ihn während der letzten Lebensmonate mit der Kamera für eine Filmdokumentation über das Sterben (Spiegel TV).
2014 erkrankte Jutta Winkelmann an einer Brust- und Knochenkrebserkrankung, die sie ab 2016 öffentlich thematisierte. Spirituell durch das Leben im „Harem“ auf den Tod vorbereitet, lehnte sie Schmerzmittel ab um die letzten Lebensmonate, begleitet von Rainer Langhans und ihrer Schwester, bewusst zu erfahren.
| Ich war bewegt von den Fotos von Gisela Getty. Das Leben bedingt den Tod. Das Sterben eines nahestehenden Menschen fotografisch festzuhalten ist eine Entscheidung. Für sich selbst, für den Angehörigen. Den Tod zu tabuisieren ist jedoch keine Lösung. Das mit diesen Fotos ein Nachdenken über den Umgang mit dem letztlich unausweichlichen einsetzt, ist und war Ziel von Gisela Getty und ihrer Schwester.
Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch Gisela Getty auf ihren Wunsch hin auch fotografisch bis zu ihrem Tod 2017 begleitet. Es endstanden hierbei zutiefst nahegehende Fotos, die trotz des absehbaren physischen Endes doch von der Hoffnung künden, dass das Ende des Lebens nur ein Übergang, eine Erweiterung der spirituellen Erfahrung eines jeden ist.
Der Titel der Ausstellung „Ashes to Rishikesh“ bezieht sich auf dem letzten Wunsch von Jutta Winkelmann, dass ihre Asche im Ganges verstreut werden möge. Ein Wunsch, der in Wahrheit als ein letztes Geschenk an ihre Zwillingsschwester Gisela gedacht war, damit diese ebenfalls jenes Indien kennenlernen möge, das für sie selbst ein wichtiger Punkt auf ihrem spirituellem Weg gewesen war. In gleicher Weise ist auch die Fotoausstellung von Gisela Gettys als ein Geschenk an den Betrachter zu verstehen, sich mit dem in unserer Kultur oft verdrängten Thema „Tod“ ganz bewusst auseinanderzusetzen.
Neben der Thematik des Sterbens ist für mich die Ausstellung zugleich auch Anregung, sich mit der Kommune 1 und ihrer Bewohner zu beschäftigen, deren Weg einst in Berlin begann und sich später in München fortsetzte...





