Pfaff Nähmaschinen Steglitz


Rheinstraße 42

Standortkarte Pfaff Nähmaschinen Steglitz
Karte Steglitz - Zehlendorf

Pfaff Steglitz

Rheinstraße 42

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Bild und Text: Lutz Röhrig 

1 | Eine feste Marke

Es gibt so diese festen Marken in der Stadtlandschaft, die scheinbar schon ewig existieren und die man daher auch noch in den nächsten Jahren als sicheren Bezugspunkt wähnt. Neben vielen anderem können dies auch Ladengeschäfte sein, auf die unwillkürlich der Blick fällt, sobald man wieder einmal in der Nähe ist. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass auch jene Geschäfte irgendwann einmal einem Wechsel unterliegen werden – so wie auch sie einst vor vielen Jahrzehnten ein anderes abgelöst haben. 


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Ein solcher fester Bezugspunkt war lange Zeit das am Ende der Rheinstraße 42 kurz vor dem Walther-Schreiber-Platz gelegene kleine Nähmaschinenfachgeschäft, dass man unwillkürlich wahrnahm, wenn man aus der U-Bahn oder dem Bus stieg, um die umliegenden Warenhäuser und Geschäfte zu besuchen.   

| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

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| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

Das Umfeld des kleinen Nähmaschinengeschäftes hat sich im Laufe seines Bestehens mehrfach gewandelt, doch es blieb eine feste Wegmarke im sonst so schnelllebigen Geschäftsbetrieb. Auch die Umwandlung der Kaufhausstandorte mit einst großen Namen wie Hertie oder Wertheim zu den seit der Wende immer mehr im Trend liegenden Einkaufpassagen, in denen nicht ein einzelner Warenhausbetreiber, sondern nun die einzelnen Markenfirmen direkt mit ihren eigenen Shops vertreten sind, ging an dem kleinen Geschäft ebenso vorbei, wie die Schließung des allseits bekannten, sich einst auf dem „Rheineck“ zwischen Bundesallee und Rheinstraße befindende „Ebbinghaus“, das mit gepflegter Kleidung die Kunden anzog. Längst ist das unter Denkmalschutz stehenden Gebäude zu einem Ärztehaus umgewandelt worden, in dessen Erdgeschoß ein Naturkostfachgeschäft ansässig ist.   

 

Auch die unmittelbare Nachbarschaft des Nähmaschinenladens hat sich längst gewandelt. Man denke an die 1980er Jahre zurück. Nur wenigen ist noch der kleine Schallplattenladen an der linken Seite des Nähmaschinenladens ein Begriff, der einst in der Szene eine feste Größe war und nun ein Nagelstudio beherbergt. Oder das berlinweit bekannte Musikhaus „Radio-Rading“, an der anderen Ladenseite, in dessen Geschäftsräume sich heute ein Fahrradladen befindet.

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2 | Das Jahr 1955 - Die Eröffnung

Auch im November 1955, als das kleine Nähmaschinengeschäft im Steglitzer Teil der Rheinstraße eröffnet wurde, unterlag das Umfeld des Ladens bereits umfassenden Veränderungen. So hatte zwei Jahre zuvor bereits die Warenhauskette „Held“ am Rheineck, wie die noch namenlose Kreuzung der Bundesallee mit der Rhein- und Schloßstraße sowie der Schöneberger Straße inoffiziell hieß, einen Neubau errichtet. Und auf dem Grundstück des Kriegszerstörten Eckhauses Bundesallee / Rheinstraße stand der Flachbau der Rudolph Hertzog KG – einem vor dem Krieg überaus bekannten Kaufhausunternehmen, dessen Teilzerstörtes, einst prächtiges Warenhaus nun jedoch in Ost-Berlin und damit in der DDR lag. 

 

Hinzu kamen die Geschäfte der Rheinstraße selbst, die ebenfalls stark frequentiert waren. Nicht vergessen darf man die im Umfeld vorhandenen Kinos, zu dem mit dem Titania-Palast eines der größten und bekanntesten Lichtspielhäuser Berlins zählte. Aber auch in der Rheinstraße bestanden kleinere Kinosäle. Eine U-Bahn gab es noch nicht, durch die genannten Straßenzüge fuhren Busse oder die damals noch weit verbreitete Straßenbahn. Wer von weiter her kam, dem blieb im Grunde nur die S-Bahn und der kurze Weg vom Bahnhof Feuerbachstraße durch die Schöneberger Straße.

| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

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| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

Für jenes Ehepaar, das hier im Umkreis der Schloßstraße 1954 ein Nähmaschinenfachgeschäft als Pfaff – Vertragshändler eröffnen wollte, hätte die Nähe zum neu errichteten Kaufhaus „Held“ und den übrigen, sich entlang der Schloßstraße befindenden Warenhäusern und Fachgeschäften nicht besser sein können – trotz der noch andauernden Straßenarbeiten zur Umverlegung der hier aufeinandertreffenden Straßenbahnlinien.

 

Das neue Nähmaschinengeschäft erhielt, um sich optisch abzuheben, eine über der gesamten Schaufensterfläche des Ladens reichende geschwungene Wandfläche, welche an einen Erker der darüberliegenden Wohnungen anschloss. An der unteren Kante dieser Wandfläche waren Neonröhren montiert, welche die zurückgesetzte Ladenfront betonten. In der Mitte der Wandfläche war dann der aus fünf beleuchteten Einzelbuchstaben bestehende Markenname „Pfaff“ montiert.

 

Da das Ladengeschäft nur eine relativ kurze Schaufensterfront besaß, hatte man zudem den Eingang tief nach hinten verlegt, so dass nun auch von den links und rechts des Eingangs entstandenen seitlichen Glasflächen ein guter Einblick in das Ladeninnere genommen werden konnte. 

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3 | Die weitere Entwicklung

Kein Zweifel, die fünfziger Jahre bedeuteten für die Schloßstraße und die Gegend rund um das Rheineck eine Zeit des Aufbruchs. Nach dem 1949 bereits das Gebäude des Bekleidungshauses Peek & Cloppenburg (Architekt: Heinz Scheidling) an der Schloßstraße fertiggestellt worden war, folgte 1950 und 1952 das Textilkaufhaus Leineweber (Paul Schwebes und Edmund Stelter). 1952 wurde auch das Wertheim-Kaufhaus (Hans Soll) eröffnet. Den Abschluss der Kaufhausneubauten für dieses Jahrzehnt erfolgte 1956 durch die Fa. C & A Brenninkmeyer (E. A. Gärtner, Essen). 

 

Für das kleine Nähmaschinengeschäft konnte der Zuwachs an potentieller Kaufkraft durch die Warenhäuser nur positiv sein. Ganz besonders zum Anfang der 1960er Jahre, als der behelfsmäßige Flachbau der Fa. Rudolph Hertzog am Rheineck (1961 – 62, Hans Schaefers und Wolfgang Philipp) nun durch ein vollwertiges Warenhaus der Textilfirma Ebbinghaus ersetzt wurde, die vom Breslauer Platz nun hierher an das Rheineck zog. Das Rheineck und die Schloßstraße wurden unter den Kunden des damaligen West-Berlins immer beliebter. 

| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

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| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

Nach dem der Hertie-Konzern sowie das Warenhaus Wertheim hier vertreten waren, folgte 1966-67 (Schwebes & Schoßberger) nun auch der Karstadt – Konzern mit einem eigenen Warenhaus. Unmittelbar nach der Eröffnung des Karstadt-Warenhauses begannen 1968 (Georg Heinrichs) die Arbeiten am künftigen „Forum Steglitz“ an der Schloßstraße 1, das 1970 schließlich fertiggestellt wurde. Es war eines der ersten Einkaufszentren, das nach dem Shop-in-Shop System errichtet wurde. Neu waren auch die mit Spiegeln verkleideten Fahrsteige zum 1. OG.

 

So begrüßenswert auch das in nächster Nähe zum Nähmaschinenladen gelegene, sich alsbald zum Publikumsmagneten entwickelnde „Forum Steglitz“ für die Händler an der Schloßstraße und am Rheinecke war – mit dem Bau der durch die Schloßstraße verlaufenden U-Bahn Linie 9 ab dem 7. Juli 1969 begann eine Zeit massiver Verkehrseinschränkungen, Umleitungen und dem entsprechenden Baulärm, von dem auch das kleine Nähmaschinengeschäft nicht verschont blieb. 

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Immerhin konnte 1971 der Abschnitt Spichernstraße – Walther-Schreiber-Platz der U9 fertiggestellt werden, der durch die Lage des U-Bahnhofs Walther-Schreiber-Platz am Rheinecke und damit schräg gegenüber den Nähmaschinengeschäft für dieses so manche Vorteile mit sich brachte. 

 

Stellte schon die doppelstöckige, für die Einfädelung einer künftigen U10 vorbereitete Anlage des U- Bahnhofs Walther – Schreiber – Platz eine Herausforderung dar, so erwiesen sich die ebenfalls doppelstöckig angelegten Bahnhöfe Rathaus Steglitz und vor allem der U- Bahnhof Schlossstraße als in dieser Hinsicht besonders aufwendig. Der U-Bahnhof Schloßstraße ist zudem als ein Gesamtensemble der Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte anzusehen, zu dem neben der die Schloßstraße querenden Joachim – Tiburtius – Brücke auch der Bierpinsel gehören. Zudem wurde das benachbarte Warenhaus Wertheim mit in das unterirdische Verteilergesschoss integriert und erhielt dadurch einen direkten Zugang zum U-Bahnhof. Die oberirdische Verbindung des Bierpinsels mit dem Warenhaus Wertheim über eine Fußgängerbrücke wurde allerdings ebenso aufgegeben, wie die Einbindung des C & A Warenhauses in das unterirdische Verteilergeschoß. 1974 konnte schließlich der bislang letzte Abschnitt der U-Bahnlinie 9 eröffnet werden. 

| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

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| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

4 | Die 1980er Jahre

Aufgrund des Todes des Ehemannes gab die nunmehrige Inhaberin des Nähmaschinenladens diesen an Pfaff ab, der nun zu einer Werksvertretung wurde. Sie selbst arbeitete bis zu ihrem Ruhestand als Verkaufskraft im Ladengeschäft weiter. Die geschwungene Werbefläche wurde nun lediglich weiß getüncht ohne die Neonbeleuchtung an der unteren kannte.

 

Der Schriftzug „Pfaff“ bestand nicht mehr aus Einzelbuchstaben, sondern aus einem farbig bedruckten Leuchtkasten. Senkrecht an der Fassadenseite in Nachbarschaft zu „Radio-Rading“ wurden ebenfalls 5 Leichtkästen montiert, die zusammen gleichfalls den Namenszug „Pfaff“ ergaben.

 

Auch die Schaufensterfront wurde durch den Wegfall der tief nach hinten eingezogen Ladentür und der seitlichen Glasscheiben begradigt und damit die Ladenfläche vergrößert. Die Einrichtung erfolgte in zeittypischer „Kiefer- Imitation“. Lediglich der Rundbogen zum für die Kunden nicht zugänglichen Bürobereich blieb weiterhin bestehen.

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Pfaff Vertretungen gab es nun in der Müllerstraße, in der Spandauer Carl-Schurz-Straße (Händler), in der Charlottenburger Wilmersdorfer Straße und in der Sonnenallee in Neukölln (Händler) sowie zeitweilig auch am Tempelhofer Damm (Händler).

 

Hinzu kamen noch kleinere Verkaufsabteilungen in verschiedenen HERTIE-Kaufhäusern wie etwa der Wilmersdorfer Straße, dem KaDeWe usw. Ab 1987 kamen noch kleinere Verkaufsabteilungen in den Karstadt - Filialen hinzu. So etwa im Hause Karstadt Tempelhofer Damm, am Leopoldplatz oder am Hermannplatz. 

 

Die Zentrale für den Haushaltsmaschinen- wie auch den Industriemaschinebereich für das damalige West- Berlin befand sich in der Wielandstraße in Charlottenburg. In der Ersten Etage hatten die beiden Verkaufsleiter für den Haushaltsmaschinen- und den Industriemaschinenbereich ihre Büros. Im Erdgeschoß und damit von der Straße aus für die Kunden zugänglich befand sich der allgemeine Bürobereich sowie die Reparaturwerkstatt und im Hof die Garagen für die Dienstfahrzeuge. 

| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

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| Alter Parkettboden und edles Mobiliar. Im Pasternak kann man sich wohlfühlen.

5 | Das Ende

1988 wurde die Aktienmehrheit der beiden Pfaff - Gesellschaften (Haushalts- und Industriemaschinen)  von Wolfgang Schuppli unternommen, der das Unternehmen 1993 schließlich an Semi-Tech (Global) Co. Ltd. verkaufte. Damit begann ein über viele Jahre andauernder Umwandlungsprozess des einstigen Familienunternehmens mit wechselnden Inhabern, Eigentümergesellschaften, Insolvenzen und einer Verlagerung der Produktion nach China. Die werkseigenen Filialen wurden Mitte der 1990er Jahre geschlossen oder Privatpersonen übertragen, die die Ladengeschäfte auf eigene Rechnung weiterführten. 1996 wurde das kleine Geschäft in der Rheinstraße von Monika Tschernoch übernommen, die bereits zuvor für Pfaff als Angestellte gearbeitet hatte.

 

Doch nun, nach knapp 30 Jahren ist es für Sie Zeit, in den wohlverdiente Ruhestand zu gehen. Was bleibt ist, Frau Tschernoch alles Gute nach ihrer erfolgreichen Tätigkeit in Steglitz zu wünschen. Das kleine Nähmaschinengeschäft an der Rheinstraße kurz vor dem Walther-Schreiber-Platz wird nun keine Wegmarke mehr durch die Zeiten sein. Schade.

 

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