Denkmalschutz...


...und die Berliner


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Denkmalschutz ...und die Berliner. Ein ewiger Konflikt, augenzwinkernd erklärt

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1 | Der merkwürdige Zwiespalt der Berliner

Bild und Text: Lutz Röhrig 

Den Berlinern ist oft nicht bewusst, welche bedeutenden architektonischen Schätze sie in den Straßen zu stehen haben. Allzu schnell wird alles Gebaute den Begriffen „schön“, „geht so“ oder „kann weg“ zugeordnet.  Architekten, zeithistorisch Bedeutsames, das sich in den Bauwerken womöglich abgespielt hat oder Besonderheiten der Ausführung, die mitunter wegweisend waren, spielen dabei fast keine Rolle – schon gar nicht der Umstand, dass Bauwerke stets auch Ausdruck ihrer Zeit und Epoche sind. So mutet es ihnen befremdlich an, wenn eine Gruppe offenbar weitgereister, ausländischer Besucher voller Ehrfurcht, den Fotoapparat stets griffbereit, vor einem der sonst von ihm bestenfalls mit stoischer Gleichgültigkeit auf seinem Weg zur Arbeit oder zum täglichen Einkauf übersehenen Bauwerken stehen. Berlin als „Architekturparadies“? Wer erzählt denn so etwas… Poelzig? Nie jehört – um dann aber doch leicht verräterisch hinzuzufügen: Die olle Kiste von ihm und seiner Frau in Westend ham se ja nun ooch abjerissen, det kann also nüscht besonderet jewesen sind...  

 

Dass Berlins gebautes Erbe aber gerade in Zeiten sonst rückläufiger Touristenzahlen ein immer wichtiger werdender wirtschaftlicher Faktor ist, wird geflissentlich übersehen. Gruppen von Leuten mit Knipskisten in der Hand, die den Bürgersteig vor einem Gebäude belagern und um die man daher einen weiten Bogen machen muss, stören den Berliner nur bei seinem Tagesgeschäft. 

Wohnhuas Marlene Moeschke Poelzig und ihres Mannes Peter Poelzig im Berliner Westend.

| Jedes Gebäude unterliegt im Laufe seines Bestehens Veränderungen. Die Bewertung, ob es geschützt werden soll oder nicht, ist daher mitunter eine Herausforderung. So auch beim durch Marlene Moeschke-Poelzig errichteten Wohnhaus, in dem sie mit ihren Kindern und ihrem Ehemann,  dem bekannten Bauhaus-Architekten Peter Poelzig im Berliner Westend lebte. Das Denkmalamt entschied sich, trotz allgemeiner Proteste, gegen eine Unterschutzstellung. Bald nach der Entscheidung rückten die Abbruchbagger an...

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Das ICC. Lange hinsichtlich Nutzung oder Abbruch umstritten.

| Das Internationale Congress Centrum (ICC). Lange ob seiner hypermodernen Architektur und seinen Ausmaßen auch in der Gunst der Bevölkerung nicht unumstritten, kamen mit  Blick auf die inzwischen veraltete Haustechnik und den hohen Betriebskosten auch Gedanken an den Abbruch des ICC auf -  was den Denkmalschutz auf den Plan rief. Inzwischen ist das ICC "der Renner" in der Rangfolge beliebter Berliner Baudenkmäler...

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Verwundert reibt man sich dann aber die Augen, wenn gerade jene Berliner, die kaum Zeit für janüscht haben, die eifrigsten sind, die am "Tag des offenen Denkmals“ ausgerechnet vor einem Bauwerk der Moderne, für das sie sonst nur Begrifflichkeiten wie „notjelandetet Raumschiff“ oder „Kampfstern Galactica“ übrig haben, über Stunden Schlange stehen. In den Ankündigungen des Denkmalamtes zeigt sich dies seltsame Phänomen oft kurz nach dem Start der offiziellen Kartenabgabe mit dem Begriff: „Ausgebucht“.

 

Diese widersprüchliche Haltung der Berliner zu Ihrem gebauten Erbe verleitet manchen Bauherren dazu, es einmal mit einem Abbruchantrag zu versuchen. Das in seinem Besitz befindliche Grundstück kann so besser ausgenutzt werden. Argumentativ heißt es dann, dass der Wohnungsbau so vorangetrieben werden könne…  

 

In West- Berliner Zeit waren dies andere Argumente: Was heißt hier, dies sei eine Fabrikanlage von Otto Rudolf Salvisberg? Wollt Ihr Arbeitsplätze oder nicht? Und so geschah es - ein Salvisberg in der Stadt weniger. Vielleicht sind es gerade diese Erfahrungen, welche den Berliner gleichgültig werden lassen. Bloß an nüscht Jebauten sein Herz hängen, morjen könnte det abjerissen werden… In den Jahrzehnten nach dem Krieg bis Anfang der 1980er Jahre sind schließlich ganze Straßenzüge für eine „autogerechte“ oder der „modernen Stadt von heute“, wie damals die Schlagwörter hießen, regelrecht weggesprengt worden.  


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2 | Baudenkmäler. Geliebt - und dann beräumt

Klagen oder gar Gleichgültigkeit über verlorene oder in Gefahr befindliche Architektur entsprechen somit keineswegs einer eher pessimistischen Lebenshaltung der Berliner, sondern sind gemachte Erfahrung. Denn was wurde nicht alles an eigentlich Schützenswertem abgerissen: der Schöneberger Sportpalast, das Ballhaus Resi in der Hasenheide, das Prälat Schöneberg, das Vox-Haus, die Deutschlandhalle, ganze Straßenzüge in Kreuzberg - und was gäbe es schon längst nicht mehr, wenn der Denkmalschutz nicht mahnend seinen Finger erheben würde: den in den 1920er Jahren errichteten Kant-Garagen-Palast, das vom Architektenpaar Ralf Schüler / Ursulina Schüler - Witte stammende ICC...


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Doch auch ein vorhandener Bestandsschutz ist keineswegs eine Garantie. Man denke nur an den unter Denkmalschutz stehenden Gloria - Palast, welcher von den benachbarten Neubauten derart beeinträchtigt wurde, dass am Ende nur eine unbezahlbare Instandsetzung oder der Abriss in Erwägung gezogen werden konnten. 

 

Oder man denke an die Kurfürstendamm - Theater. Im Kern noch aus der Zeit der Berliner Secession unter Max Liebermann stammend (!), wurde dem Abbruchantrag des Investors trotz der geschichtlichen wie architektonischen Bedeutung der durch Oskar Kaufmann (Renaissance - Theater, Theater am Bülowplatz) umgestalteten Theater stattgegeben. Immerhin, der aktuelle Besitzer des Grundstücks ließ den Bau eines modernen Theaters im Untergeschoss des hier entstehenden Neubaukomplexes weiter fortsetzen. 

Der Gloria-Palast. Zwar seit 1998 geschlossen und in einen Mode-Store umgewandelt, stand das Gebäude des einstigen Uraufführungskinos mit seinem ikonischen Schriftzug unter Denkmalschutz.

| Der Gloria-Palast am Kurfürstendamm. Zwar seit 1998 geschlossen und in einen Mode-Store umgewandelt, stand das Gebäude des einstigen Uraufführungskinos mit seinem ikonischen Schriftzug unter Denkmalschutz. 

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Ist Denkmalschutz nur ein anderer Begriff für Bauerwartungsland? Ansicht der Deutschlandhalle vor Abbruch.

| Postkarte Sammlung Röhrig. Die Deutschlandhalle, abgerissen trotz Denkmalschutz.

3 | Ja zur Veränderung - aber um jeden Preis?

Gewiss, Berlin muss offen sein für Veränderungen und auch einer neuen Art zu bauen - aber nicht um jeden Preis. Denn sind es nicht gerade die architektonischen Preziosen aus all den Jahrzehnten der an Umbrüchen und den sich hieraus ergebenden architektonischen Veränderungen so reichen Berliner Geschichte, welche der Besucher von außerhalb so anziehend findet? 

 

Wohin geht der architekturbegeisterte Tourist - eher seltener zu den neu entstandenen Wohnvierteln der Gegenwart. Wohin zieht es all die Firmengründer des Internet-Zeitalters? Meist in die sorgsam restaurierten Gewerbehöfe der Gründerzeit... 

 

Und so sind unsere Baudenkmäler nicht nur als aufwendig zu unterhaltende "Hindernisse"  zu begreifen, die einer "Weiterentwicklung" des städtischen Raumes im Wege stehen, sondern im Gegenteil, eine durchaus einträgliche Bereicherung unserer Stadt. Und seien wir einmal ehrlich. Im Grunde seines Herzens hat auch der mürrischste Berliner längst diese Botschaft verstanden...  

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4 | Baudenkmäler - Nur Platzhalter für Neues?

Unser architektonisches Erbe ist somit nicht nur in ideeller, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wertvoller Schatz, den es zu bewahren gilt. Unsere Architekturdenkmäler markieren keine Baulandreserven, auf die bei Bedarf durch Entwidmung und Abriss zurückgegriffen werden kann.

 

Eine Einsicht, die insbesondere in Zeiten von Wohnungsnotstand bei weitem noch nicht bei jedem angekommen ist. Doch auch viele der so oft gescholtenen "Investoren" sind längst dabei umzudenken. Die Bewahrung von alter historischer Bausubstanz ist für sie nicht nur oftmals eine  - insgeheime  - Herzenssache, sondern wertet auch ihre Neubauprojekte auf, denen sie Charakter und ein Alleinstellungsmerkmal vermitteln. "Denkmalschutz" nur eine Antithese zu einer zeitgemäßen Stadtentwicklung? Nein, sicher nicht. Denkmalschutz ist viel mehr. Er ist, fast ist man geneigt zu sagen, lebenswichtig für eine lebenswerte Stadt wie Berlin. Denken Sie demnächst einmal daran, wenn es wieder um den Abbruch eines eigentlich erhaltenswerten Gebäudes geht...

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Der Kant-Garagen-Palast. Eine der letzten Großgaragen Europas. Lange Zeit abbruchgefährdet, konnte der Denkmalschutz dies durch eine Unterschutzstellung verhindern.

| Der Kant-Garagen-Palast (vor dem Umbau). Eine der letzten Großgaragen Europas. Lange Zeit abbruchgefährdet, konnte der Denkmalschutz dies durch eine Unterschutzstellung verhindern.